Vor einigen Jahren hatte ich mal ein interessantes Gespräch mit dem Kollegen Bell aus den USA, der sich ganz klar dazu bekannte, kleine Retouschen im Notentext anzubringen. Zunächst mit schlechtem Gewissen und der Erwartung, dass ihn im Konzert der Blitz trifft, dann aber sehr systematisch.
Es gibt immer wieder Stellen, wo man sich fragt, was zum Henker sich der Komponist gedacht hat. Stellen, die gefährlich liegen, weil der Komponist eine bestimmte Stimmführung haben möchte, die vielleicht auf dem Papier gut aussieht, aber am Ende kaum zu hören ist. Oder vielleicht sogar gar nicht gut klingt.
Dazu kommt: Ich habe kleine Hände und manches ist extrem unangenehm und riskant für mich. Darf man dann ändern? Neulich traf ich D. Roth, der meinte: "Nein, wenn man es nicht greifen kann, darf man das Stück nicht spielen." Das sehe ich jetzt nicht so eng. An den meisten Stellen würde ich den Pfusch nicht einmal selbst bemerken, wenn ich im Publikum wäre.
Wie steht ihr dazu?
Hier zwei Beispiele, wo ich trickse.
Franck, a-moll Choral ziemlich in der Mitte. Ich kann das cis nicht sicher greifen und verlege es eine Oktave höher.
Im zweiten Beispiel kein Eingriff in den Text, aber in den Fingersatz des Komponisten (Guilmant, 3. Sonate), den ich gefährlich finde. Wenn man hier und an den Parallelstellen einen Ton der 2. Sechzehntelgruppe links nimmt, geht es besser.
Ganz so streng wie Daniel Roth würde ich das auch nicht sehen. Wenn man Musiker aus Leidenschaft ist und ein Stück spielen will, sollte man sich das auch nicht nehmen lassen, wenn man von der Größe der Hände her im Nachteil ist.
Ein Extrembeispiel war der Pianist Paul Wittgenstein, der das entsetzliche Pech hatte, im 1. Weltkrieg seinen rechten Arm zu verlieren, aber trotzdem als Pianist weitergemacht hat und das sogar noch mit Erfolg. Er hat nicht nur Stücke "für die linke Hand" gespielt, sondern auch eigene Arrangements bekannter Klavierstücke. Wenn es streng nach Daniel Roth gegangen wäre, hätte er dies nicht tun dürfen.
Ich habe auch eher kleine Hände, aber Gott sei Dank geht sich das meiste noch irgendwie aus.
Bei dieser Mozart-Fuge hätte ich in den Takten 40 und 41 ein Problem gehabt, wenn ich manualiter geblieben wäre, also habe ich ab der 2. Hälfte von Takt 40 bis zum Taktende 41 die Bass-Stimme ins Pedal genommen, aber so registriert (nämlich nur Pedalkoppel), dass niemand merkt, dass ich diese Töne im Pedal gespielt habe.
Hallo Beim Ändern eines Fingersatzes hätte ich nicht geringsten Gewissensbisse, auch nicht beim Spielen eines unteren Tones im Pedal, wenn es so gekoppelt ist, dass die gleichen Register tönen, wie im Manual. Modifikationen im Notentext sind da etwas anderes: Nur wenn man sie definitiv nicht hören kann, dann würde ich es machen...
Als Komponist greife ich zum Kopf, wenn ich so was lese... Und als noch lebende, möchte es auch nicht, dass man Noten in meinen Stücken ändert. Ich sitze unter Umständen tagelang bei einer Akkordfolge, bis sie - für mich - perfekt ist, und dann kommt jemand, und "weiß es besser"... 😡 Was für eine Respektlosigkeit! Und - in meinem Fall - auch noch gesetzeswidrig - siehe Urheberrechtsgesetz.
Es geht nicht um "besser wissen", sondern darum, dass ich es z.b. bei Franck schlichtweg nicht spielen kann. Obwohl ich das Stück oft im Konzert gespielt habe, hat sich noch keiner beschwert und ich weiß auch nicht, ob ich es als Zuhörer hören würde, wenn ich nicht auf die Stelle warte.
Als Musiker greife ich dann auch zum Kopf, wenn ich solche Kommentare lese. Na gut, dir reißen die Interpreten vermutlich Deine Kompositionen aus der Hand....
Ich erinnere mich, dass ich vor etlichen Jahren ein Stück des Hindemith-Schülers Hans-Ludwig Schilling spielte. Irgendwo war mir ein Vorzeichen unplausibel. Ich habe ihn angerufen. Lutz hat nicht mal in die Noten geschaut, sondern sagte: Nimm das, was besser klingt. Geht auch anders....
Franck, a-moll Choral ziemlich in der Mitte. Ich kann das cis nicht sicher greifen und verlege es eine Oktave höher.
Ich kenne Francks a-moll sehr gut und habe den Choral oftmalig auch in Konzerten gespielt....., hier muss ich Dir absolut recht geben, ich "dagreif" es auch nicht Ich erschwindle hier statt dem Cis das untere E (klingt meines Erachtens noch etwas besser wie in Terzen und cis in der Oktave), auch wenn es nicht ganz korrekt ist! Interessant, wie Daniel Roth und andere hier denken....., sicher haben sie auch recht, aber eine andere Alternative außer etwas Schwindeln gibt es meiner Meinung nach nicht, wenn man diese großartigen Werke auch spielen möchte.
Ich möcht gar nicht wissen, wieviel ich intuitiv an einer kurzen Oktav sitzend pfusche, wenn ich was vom Blatt spiele 🙈, aber ich glaube nicht, dass unseren Messbesuchern bei der Gemeindegesangbegleitung soetwas auffällt😇... Hauptsache es klingt gut🤭
Es gibt nichts in der Welt, das so wertvoll wäre, wie der Herzensfrieden. ~Franz v. Sales~
Ich wusste bislang gar nicht, was eine kurze Oktave überhaupt ist. Sofern ich auf so einer Pfeifenorgel spielen würde, könnte ich dies zu Hause aber üben. Bei (meiner) Digitalorgel lässt sich die kurze Oktave für jedes Werk aktivieren.😀
Wo kein Kläger, da kein Richter. Genügend Komponisten haben in ihren Orgelstücken mehrere Fassungen - eben erleichterte Fassungen - angeboten. Jeder Komponist von Grösse ist im Hinblick auf sein Werk flexibel. Ansonsten darf man halt nichts veröffentlichen. Und was da manchmal auch von namhaften Interpreten an Notentext geändert wurde, ist schon eine Betrachtung wert. Davon zeugen zahlreiche Ausgaben antiquarisch erworbener Noten.