Mal ehrlich, habt ihr gewusst, wwas eine Parabrahm-Orgel ist ? Nein ? Ich bis vor ein paar Minuten auch nicht. Das ist ein spätromantischer Orgeltypus, der neben klassischen Orgelregistern auch Hochdruckregister und durchschlagende Zungen - also Harmonium-Register - beinhaltet. Schwellkästen dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen. Durch eine Kombination der an sich statischen Tonstärke der Orgel mit der dynamischen Tonstärke des Harmoniums entsteht (laut Wikipedia) eine "akustische Täuschung", mit der Crescendo- und Decrescendo-Effekte noch stärker wirken als mit herkömmlichen Schwellern und Crescendo-Walzen. Die angeblich letzte und unter denkmalschutz stehende Parabrahm-Orgel Deutschlands steht in der evangelischen Kirche in Eichwalde. Klangprobe gefällig ? Also unter einem (für meine Ohren) schönen Orgelklang verstehe ich ehrlich gesagt was anderes, klingt für mich mehr nach Kinoorgel als nach Kirchenorgel, aber hört selbst !
Ich finde, die Orgel klingt eigentlich gar nicht so übel, sie ist nur in dieser Aufnahme im Tutti grauenhaft verstimmt. Das dürfte an den Harmoniumregistern liegen - durchschlagende Zungenregister halten ihre Stimmung völlig konstant bei Temperaturänderungen, während bei Labialregistern die Tonhöhe mit der Temperatur steigt und fällt, und zwar ziemlich ausgeprägt: 15° Celsius Temperaturunterschied bewirkt einen Halbton Tonhöhenunterschied. Folglich sind Labialregister und durchschlagende Zungenregister oft nur Stunden nach dem Stimmen bereits wieder auf verschiedenen Tonhöhen. Das war der Grund, warum die durchschlagenden Zungenstimmen, trotz großer Begeisterung in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach 1850 immer seltener disponiert wurden. In den Parabrahmorgeln von Weigle kamen sie nur deshalb wieder zu Ehren, weil sie sich sehr effektiv schwellen lassen. Aber mit den durchschlagenden Zungen handelte sich Weigle das unlösbare Stimmungsproblem wieder ein, weshalb nur drei Parabrahmorgeln in Deutschland in den Jahren 1908-14 gebaut wurden. Einzig in klimatisierten Räumen hätte das Konzept eine Chance gehabt!
Angenehm überrascht bin ich von dem recht kultivierten Klang der Hochdruckregister von Weigle. Immerhin waren die frühen Hochdruckregister von Weigle der Auslöser für heftige Streitereien in der Orgelwelt ab 1898, die schließlich in die "Elsässisch-neudeutsche Orgelreform" mündeten. Allerdings ging es damals um Weigles Hochdruckregister mit Rundlabien; deren Pfeifen waren statisch nicht stabil und knickten nach und nach am Labium ein, was natürlich fürchterliche Folgen für ihren Klang hatte und den Ruf der Firma Weigle nachhaltig ruinierte. Die Hochdruckregister in Eichwalde haben bestimmt keine Rundlabien, sondern Doppellabien im Winkel von 90°. Diese Konstruktion ließ sich Weigle unter dem Namen "Seraphon" patentieren, und so konstruierte Pfeifen klingen offenbar auch heute noch passabel.