Dieses Youtube-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=vBdli51D...0Ipq_i&index=12
könnte vielleicht einen Vorgeschmack geben von Orgelkonzerten in der Zukunft. Es handelt sich um einen Livemitschnitt eines Teils der "Orgelnacht" am 20.01.2024 in St. Antonius, Düsseldorf-Oberkassel. Zu hören ist von Markus Hinz "Erwartung 1-3" für Midi-gesteuerte Orgel (komponiert 2010/2023). Man sieht vor dem Beginn des Stücks das Publikum der gut gefüllten Kirche. Der Organist/Komponist Markus Hinz sitzt auf der Orgelbank des Spieltischs vor dem Publikum - aber nicht in Spielposition. Vielmehr bedient er einen Laptop seitlich auf der Orgelbank, drückt einen Knopf an der Orgel - und die Orgel spielt los. Das Publikum darf ihn dann 17 Minuten lang dabei beobachten, wie er den Bildschirm des Laptops betrachtet. Schließlich hört die Orgel auf zu spielen, das Publikum applaudiert, Hinz steht auf von der Orgelbank und verneigt sich vor dem Publikum - ganz so wie nach einem gewöhnlichen Spiel auf der Orgel, das jedoch nicht stattgefunden hat. Ein etwas surrealer Vorgang, an den man sich aber möglicherweise in Zukunft gewöhnen muss.

Früher gingen die Leute in ein Konzert, um einen bestimmten Interpreten zu hören. In Midi-Orgelkonzert entfällt natürlich dieses Anliegen, da der Laptop spielt, kein Interpret. Man wird also dorthin gehen, um mal wieder die Orgel in voller Lautstärke hören zu können, was ja mit der Anlage zuhause der Nachbarn wegen meist nicht wirklich möglich ist. Der Applaus diente früher dem Publikum dazu, dem Interpreten eine Rückmeldung zu geben, was wiederum dessen nachfolgende Interpretationen und Darbietungen beeinflusste: Die Begeisterung des Publikums konnte den Virtuosen zu Höchstleistungen und Zugaben veranlassen. In Midi-Orgelkonzerten entfällt das natürlich, da bedankt sich das Publikum mit dem Applaus allenfalls beim Ersteller der Midi-Daten für seine Mühe. Auswirkungen auf die Konzertdarbietungen hat dies jedoch keine.

Der Vorteil eines Midi-Orgelkonzerts für den Interpreten ist offensichtlich: Ihm können im Konzert keine Fehler mehr unterlaufen, was unendlich viel Übezeit einspart, er kann die Stücke so schnell abspielen lassen wie er will (nicht wie seine Finger können), er braucht keine Konzerte mehr ausfallen zu lassen, nur weil er gerade Schnupfen und Kopfschmerzen bekommen hat, unter Umständen kann er die Bedienung des Laptops sogar delegieren an den Küster und dabei selbst im Publikum sitzen oder auch seine Kinder zuhause betreuen ... Louis Vierne bekam 1937 an der Orgel in Notre-Dame einen Herzschlag - wäre sie damals schon midifähig gewesen, hätte er rechtzeitig ins Krankenhaus gehen können, die Orgel hätte ohne ihn gespielt, und er hätte wahrscheinlich überlebt! Woran man sieht, wie wichtig es ist, möglichst alle Orgeln zu midifizieren! Schöne neue Welt ...

Ich wollte ganz viel und ausführlich dazu schreiben

Aber

Sollte es nicht um die Musik gehen?

Und sollte es dann nicht egal sein wie genau diese produziert wurde...

Ich mag weder Sängern noch Organistinnen dabei zusehen wie sie theatralisch "herumhampeln"
Aber das ist wohl mein privates Problem und ich könnte ja wegschauen
(leider wird die Musik dann oft trotzdem nicht besser ;-)

Noch schlimmer find ich es, wenn tatsächliches Spiel insbesondere bei Playback-Shows im TV nur vorgetäuscht wird: Das Publikum hört Musik, der Interpret befindet sich an seinem Instrument, tut so als würde er spielen, dabei ist das Instrument nicht einmal eingeschaltet: so zB bei diversen Schlagersendungen im TV, wo ein Life-Spiel dem Publikum nur vorgegaukelt wird. Es ist deutlich zu erkennen, dass zB kein einziges Kabel an ein Keyboard angeschlossen, keine einzige LED am Keyboard aufleuchtet und das Keyboard somit nicht einmal eingeschaltet ist. Viel deutlicher kann man nicht mehr dokumentieren, dass hier kein Spiel in Echtzeit stattfindet.

JJBB1

Warum ist MIDI bei DO ok, bei Pfeifenorgeln aber nicht? Das lese ich aus dem Post #1.

Markus Hinz ist ein hervorragender Organist, der auch "klassisch" unterwegs ist. Seine Beschäftigung mit neuer und neuester Musik hat zu der Einrichtung der Orgel (in Düsseldorf gibt es zwei weitere Orgeln mit diesen Möglichkeiten) geführt.

Auch hier ist die es sicher wieder eine Frage der Wahrnehmung. Was in der Avantgarde der 1990er Jahre mit "Orgel und Elektronik" gemacht wurde, passiert heute mit MIDI.

Ich plädiere dafür, dass locker und entspannt zu sehen, man muss es nicht mögen, aber offenbar gibt es Musiker und Hörer (weibl. Formen eingeschlossen), die diese Formen zumindest interessant finden.

Zitat von Jerry im Beitrag #4

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Warum ist MIDI bei DO ok, bei Pfeifenorgeln aber nicht? Das lese ich aus dem Post #1.

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Platz 65 - was Sie schon immer wollten fragen, aber nie gehört haben. 🙉


Selbst heute noch sind Menschen beeindruckt, wenn ich von der Orgel "herunter" komme und diese "von alleine" weiterspielt...

Ich habe bestimmt keine Berührungsängste mit MIDI und Elektronik, auch im Zusammenhang mit Pfeifenorgeln kann es Sinn machen, aber für ein Konzert ist es ein NO GO. Ist man schon so transhumanistisch drauf, dass man einer Maschine zuhören will? Spielautomaten, rein mechanisch, gab es schon lange, aber das waren letzlich nur Jahrmarkt-Attraktionen.

Da muss ich den netten und wirklich qualifizierten Kollegen etwas in Schutz nehmen. Minimal Music ist sicher nicht jedermanns Ding, ich bin auch kein großer Fan. Wenn ich richtig höre, ist das so nicht spielbar, jedenfalls nicht für einen Spieler. Wenn man das realisieren will ist eben die Elektronik die einzige Möglichkeit. Man denke auch an die Gruppe Kraftwerk.

Zitat von Axel im Beitrag #9

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Wenn ich richtig höre, ist das so nicht spielbar, jedenfalls nicht für einen Spieler. Wenn man das realisieren will ist eben die Elektronik die einzige Möglichkeit. Man denke auch an die Gruppe Kraftwerk.

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