Eigentlich habe ich das Klavierhaus Förstl im 1. Wiener Bezirk heute nur besucht, um den Ersatzteil für den verflixten roten Knopf meiner 28-jährigen Johannus Prestige 300 abzuholen, aber wenn man schon einen Johannus-Händler besucht, dann muss man als passionierter Organist doch auch einen Blick auf die aktuellen Johannüsse werfen. 🧐

Als erstes setzte ich mich an die eigentlich schon überholte (also bereits durch ein Nachfolgemodell abgelöste) Opus 355, vielleicht deshalb, weil sie die letzte Opus ist, die ich rein optisch schön finde. Sorry, ich bin nun mal ein unverbesserlicher Ästhet.
Wie immer spielte ich als 1. Johann Georg Albrechtsbergers D-Dur-Präludium Op.12/2, mein bewährtes "Teststück" für das "kleine Hauptwerksplenum" (Prinzipale 8+4+2+Mixtur), in der romantischen Intonation und war positiv überrascht:
Das klang doch bereits mit der serienmäßigen Werks-Intonation fast besser als auf meiner in unzähligen Stunden individuell intonierten Gloria Concerto 234. Das romantische Plenum der Opus 355 ist rund, voll, lebendig mit realistischem "Winddruck-Atmen", die Mixtur angenehm mild und kein bisschen zu spitz oder scharf.
Damit hatte ich ehrlich nicht gerechnet, denn als ich das letzte Mal (im Herbst 2011) eine Johannus Opus ausprobiert hatte (damals noch beim Musikhaus Reisinger), hatte ich mich bereits nach ca. einer Minute enttäuscht abgewandt, weil sie für mich einfach nicht wie eine Orgel klang.
Zwischen der damaligen und der heute ausprobierten (wenngleich auch schon nicht mehr aktuellen) Opus liegen wahrlich Welten ! Während ich bis heute 16:00 noch der Meinung war, dass die Johannüsse von 1996 für mich die besten aller Zeiten waren, ist der Fortschritt der letzten 13 Jahre bei Johannus nun unüberhörbar.
Respekt !
Nachdem ich nicht unbegrenzt Zeit hatte, spielte ich pro Intonation nur 1 Stück, als nächstes war die symphonische Intonation an der Reihe und nachdem ich leider kein symphonisches Orgelstück auswendig kann und heute keine Noten im Gepäck hatte, spielte ich kurzerhand Simon Sechters c-Moll-Präludium Op.91/8, was natürlich ein fauler Kompromiss ist, ich weiß ! Ich spielte das Stück mit einem gravitätischen, ungekoppelten Plenum (HW: Bordun 16, Prinzipale 8+4+2, Quinte 2 2/3, Mixtur / Ped.: Prinzipale 16+8+4, Rauschpfeife, Posaune 16) und war wieder angenehm überrascht: Die symphonische Intonation ist eine Spur schärfer und orchestraler als die romantische, aber ebenfalls sehr überzeugend und realistisch.
Für die barocke Intonation bot sich natürlich die "epidemische Toccata" an, ich spielte sie im großen, gekoppelten Plenum mit Posaune 16 im Pedal und erlebte den Klang als strahlender und zugleich klarer und "barocker" als auf meiner individuell intonierten Physis-Orgel.
Ich musste zu meinem Erstaunen feststellen, dass die Opus 355 heute beim eigenhändigen Ausprobieren für mich schöner und voller geklungen hat als in jeder noch so perfekt gespielten André van Vliet-Aufnahme. Es geht eben nichts über das persönliche Ausprobieren !
Zum Abschluss war die "historische" Intonation an der Reihe und da war Jan Pieterszon Sweelincks aeolische Toccata in a die beste Wahl, ich spielte das Stück in einer mitteltönigen Stimmung im HW-Plenum und den Orgelpunkt in der letzten Zeile mit Pedalplenum+Trompete 8´.
Hier war mir die Mixtur allerdings ein kleines Bisschen zu scharf und spitz.

Nun wollte ich das Stück zum Vergleich mit der aktuellen "historischen" Intonation, dem Sampleset der Hinsz-Freytag-Schnitger-Orgel der Bovenkerk Kampen hören, dafür bot sich die neue Studio 360 an, die gleich gegenüber der Opus 355 stand.
Nachdem ich die Studio-Modelle bis heute Nachmittag schon allein optisch als absolutes "No-Go" empfunden hatte, musste ich nun feststellen, dass man auch Orgeln nicht unbedingt nach ihrem Aussehen beurteilen sollte:
Nachdem ich von der Opus 355 nur "angenehm überrascht" war, klang die Studio 360 in der historischen Intonation bestechend schön und echt !
Das Plenum dieses Samplesets klingt edel, ganz ohne schneidende Schärfe, klar und transparent und zugleich voll, ich muss sagen, dass mir diese Orgel heute im Sampleset von Johannus fast besser gefallen hat als das Originalinstrument auf CD-Aufnahmen berühmter Organisten und das will was heißen.
Ganz ehrlich, würde die neue Studio etwas eleganter aussehen, dann wäre sie für mich ein Trauminstrument.
Ich spielte mit dem gleichen Sampleset auch den 1. Satz aus Carl Philipp Emanuel Bachs g-Moll-Sonate, die Forte-Stellen im HW-Plenum und die Piano-Stellen mit sanften Flöten 8+4 abwechselnd in Positiv und Schwellwerk und genoss den authentischen Spätbarock-Klang, der geradezu perfekt mit C.P.E. Bachs Musik harmoniert. Außerdem spielte ich einmal mehr das bewährte Albrechtsberger-Präludium in D-Dur und hier klang es noch viel schöner als auf der Opus 355.

Man könnte meinen, dass danach keine Steigerung mehr möglich war, doch die - ebenfalls nicht meinem optischen Schönheitsideal entsprechende - LiVE 3 T belehrte mich eines Besseren:
Eigentlich klingt sie mit allen Samplesets, die ich heute hören konnte, majestätisch und erhaben, für mein Empfinden schöner als viele Pfeifenorgeln, die ich bereits gespielt habe, so unglaublich das auch klingen mag.
Ich spielte mit dem Sampleset der Silbermann-Orgel der Hofkirche Dresden nochmal Bachs "epidemische" und das kleine C-Dur-Präludium BWV 933 mit abwechselnden gekoppelten und ungekoppelten Plena der 3 Manuale und zog zum Schluss noch im Hauptwerk das Kornett IV hinzu.
Es ist unglaublich, wie wunderbar die Register dieser Orgel miteinander verschmelzen.
Zu meiner Überraschung klang diese LiVE 3T heute für mich sogar schöner und voller als die größere LiVE III, die ich vor 8 Jahren beim Musikhaus Reisinger ausprobiert hatte. Wie ist das zu erklären ? Werden die Orgeln im Klavierhaus Förstl auf den Raum intoniert oder ist dort einfach die Akustik günstiger als beim Reisinger ?

Zum Abschluss spielte ich auf der kleineren LiVE 2T mit dem Sampleset der Schnitger-Orgel der Ludgerikirche Norden ein letztes Mal die "epidemische Toccata" und muss sagen, dass sie mit diesem Sampleset für mich am besten klingt. Ich habe das Originalinstrument schon auf diversen CD-Einspielungen namhafter Organisten gehört, aber der Klang hat mir noch nie so gut gefallen wie heute im Sampleset von Johannus, das ist unglaublich, aber wahr !
Ich kann mir das nur so erklären, dass Johannus die Samples dieser Orgeln noch nachbearbeitet, ich weiß zwar nicht wie, aber offensichtlich sehr gekonnt.

Mir ist heute etwas klar geworden: Meine nächste Orgel wird wieder eine Johannus.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Matthias Spielvogel für die geduldige Vorführung der Orgeln und kann nur jedem von euch empfehlen, die aktuellen Johannüsse selbst auszuprobieren, denn die Johannus-Videos auf YT werden dieser Klangpracht einfach nicht gerecht, warum auch immer.

Ich hätte noch stundenlang weiterspielen können, hatte aber nicht unbegrenzt Zeit, deshalb habe ich heute fast nur Plenum-Registrierungen ausprobiert, aber ich werde bestimmt wiederkommen, um tiefer in diese Klangwelten einzutauchen und auch die anderen Register (z.b. die Orchester-Trompete) kennenzulernen.

Ich hätte gestern nicht gedacht, dass ich das heute schreiben würde, aber: Ich bin begeistert !!!

Ich müsste mal zum Vergleich ein paar HW-Sets ausprobieren, ich weiß nur nicht wo.

Zitat von Ebi im Beitrag #2

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Vermutlich hast du nun eine Idee bekommen, wie authentisch sich das Orgelspiel an schönen Hauptwerk-Samples anhört - und vielleicht auch, warum ich deine Physis-Orgel selbst nach der hundertsten Intonationsvariante nicht überzeugend finde….

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Ich würde lieber im Raum Wien HW ausprobieren. Es muss doch auch hier irgendjemanden geben, der sowas anbietet.
Und selbst dann ist es sehr gut möglich, dass ich mich für eine neue Johannus entscheide. Wenn ich damit eine fix und fertige Orgel gefunden habe, die so klingt, wie ich will, warum soll ich dann noch etwas anderes suchen ?
Außerdem, das eine schließt das andere nicht aus: Nachdem in meinem Wohnzimmer ein Platz freigeworden ist, könnte ich mir auch zunächst mal die Concerto für HW aufrüsten, ohne allzuviel zu investieren und dann - vielleicht zu Weihnachten - eine neue Johannus ins Wohnzimmer stellen.