Der tschechische Organist, Mandolinist und Komponist Jan Krtitel Kuchar,* 5. März 1751 in Choteč, † 18. Februar 1829 in Prag, gelegentlich auch (eingedeutscht) Johann Baptist Kucharz genannt, verbrachte den Großteil seines Lebens in Prag, studierte dort bei Josef Seger, wirkte als Organist verschiedener Kirchen und später als Kapellmeister der Prager Oper. Am 1. September 1790 trat er als Nachfolger von Johann Baptist Ignaz Wolf die Organistenstelle an der Stiftskirche Strahov an. Er komponierte Opern, Ballette, Messen und Orgelwerke, war ein Freund und Bewunderer Mozarts und schrieb Klavierauszüge zu vielen Mozart-Opern, von ihm stammt auch der 1. Klavierauszug der "Zauberflöte". Kuchar gilt als der wichtigste böhmische Vertreter des "galanten Stils".
Sein bekanntestes und beliebtestes Orgelwerk, die sog. Fantasie in g-Moll besteht aus 3 Einzelwerken, die ursprünglich völlig unabhängig voneinander waren und erst nachträglich (und nicht vom Komponisten selbst, sondern von Jan Wowes (1885-1945), einem späteren Organisten der Stiftskirche Strahov) zu einer großen Konzert-Fantasie zusammengefügt wurden. Aufgrund ihres unterschiedlichen Charakters entfalten diese 3 Stücke, deren Erstes als Reprise wiederholt wird, gerade in dieser Anordnung ihre besondere, kontrastreiche Wirkung. Kuchar: Fantasie g-Moll (Live-Aufnahme) Kuchar: Fantasie g-Moll (Noten)
Die um größtmögliche Originaltreue bemühte Gesamt-Edition seiner Orgelwerke von Jan Hora gibt die Sätze der g-Moll-Fantasie in ihrer ursprünglichen Form wieder: Kuchar: Orgelwerke (Gesamt-Notenausgabe) Die 3 Sätze der "Fantasie", Maestoso, Pastorale und Moderato, heißen im Original Largo g-Moll, Pastorale C-Dur und Andante a-Moll, sind schlanker (ohne Oktav-Verdoppelungen) gesetzt und auf nur 2 Systemen notiert, daher auch deutlich leichter spielbar und können auch gut ohne Pedal gespielt werden. Das Andante in a-Moll hat im Original einen 25-taktigen Schlussteil, der im Moderato-Teil der g-Moll-Phantasie weggelassen wurde, um den Tonarten-Sprung von a-Moll zurück nach g-Moll zu umgehen, sodass der Satz in der Fantasie in e-Moll endet, woran sich die Reprise des 1. Satzes (g-Moll) gut anfügen läßt. Außerdem fügte Jan Wowes viele Ligaturen hinzu, veränderte teilweise die Begleitfiguren und Verzierungen und lässt das Maestoso bei der Reprise entgegen dem Original in G-Dur enden (Kuchar´s Largo endet in g-Moll), sodass die "Fantasie" in seiner Version als ziemlich freie Bearbeitung bezeichnet werden muss. Ich habe bei meiner Interpretation des Stückes (siehe Link oben) teilweise einen "Mittelweg" gewählt und spiele z.b. in den Takten 15-17 des Moderato die originalen Begleitfiguren aus Kuchar´s Andante, die in meinen Ohren wesentlich eleganter und "galanter" klingen.
Ich habe das Stück (bzw. die 3 Stücke) bereits lange vor dem Erscheinen von Jan Hora´s Notenedition als "Fantasie g-Moll" in Franz Lehrndorfer´s Interpretation von 1979 an der Marienorgel der Stiftsbasilika Ottobeuren kennen und lieben gelernt und wurde dadurch zugegebenermaßen stark geprägt: Lehrndorfer verwendet in seiner Aufnhame in den Takten 41-44 des Maestoso sogar den Schwelltritt, obwohl gar kein Crescendo/Decrescendo in den Noten steht (weder bei Kuchar noch bei Wowes), in den Noten ist es eine reine pp-Stelle. Dieses ganz diskrete An- und Abschwellen wirkt an dieser Stelle höchst effektvoll und mystisch-geheimnisvoll, deshalb habe ich diese Spielweise von Franz Lehrndorfer auch in meine Interpretation übernommen. Bei Gelegenheit möchte ich diese Stücke zum Vergleich auch in Kuchar´s Originalversion einspielen.
Dem interessierten Organisten und Orgelfreund empfehle ich, beide Versionen zu vergleichen und beide zu spielen, denn sowohl das Original als auch Jan Wowes´ romantisierte Bearbeitung haben ihren Reiz und sind in jedem Fall spielens- und hörenswert !