Wieder habe ich etwas, wieder in Salzburg (also für fast alle unerreichbar weit...) und wieder bin ich recht spät daran.
Mein ehemaliger Hochschulrektor, Prof Klaus Ager, hat vier Dichterinnen beauftragt, über James Joyces "Ulysses" Texte zu verfassen. Danach hat er vier Komponisten gebeten diese Texte zu vertonen.
Die Besetzung ist etwas befremdlich für mich, und beinhaltet keine Orgel, also, wenn das ein Hindernis ist, kann der Beitrag hier gerne entfernt werden... ;-)
Es sollte für Sopran Solo, Querflöte, Gitarre, und Schlagwerk geschrieben, und 10 Minuten (!) lang werden.
Ich bekam Texte von einer 58jährigen Frau, die nicht mal ein Handy besitzt. Ich war guter Dinge, dass die Texte kein Problem darstellen würden, bin moralisch gesehen doch sehr konservativ eingestellt, und hatte bis jetzt fast nur Messtexte, Passionen, Choräle etc. vertont.
Der Text, den ich bekam, war SO SCHLIMM, dass ich 2 Monate mit dem Arbeiten gar nicht anfangen konnte, überlegte sogar, den Auftrag abzusagen! Das ging nicht, da es schon zu spät war, also bin ich sehr froh über die Großzügigkeit der Autorin gewesen, die mir eine fast unbegrenzte Freiheit bei der Bearbeitung gegeben hat.
Es sind Texte, mit Andeutungen zu Inzest, Kannibalismus etc. drin. Ich weiß, viele machen alles, es soll nur "Arbeit" in musikalischem Sinne sein, nicht aber ich! Mit solch unmoralischen Dingen kann ich nichts anfangen. Ich würde und will auch niemals einen Pornofilm vertonen!!
Nun aber konnte ich mit der zugebilligten Freiheit die unverfänglichen Zeilen herausnehmen, und diese, ganz frei, zu einem anderen, allgemeinen, fast philosophischen Textsinn zusammenfügen. Ich glaube, dass das Stück toll geworden ist! Die Autorin ist jedenfalls begeistert davon "wie ich mit ihren Texten umgegangen bin".
Ich habe eine mp3-Aufnahme mit Computerstimmen (MIDI, eine Katastrophe, aber man kann etwas darunter vorstellen) sowie die Noten als PDF (PriMus). Bei Bedarf kann ich sie hochladen.
Die Uraufführung wird am 16.6. (Frohnleichnam, bei uns Feiertag) um 11:30 im neuen Mozarteum im wunderschönen Saal "Solitär" aufgeführt. Wenn alles wahr ist, kommt der gleiche Aufnahmeleiter, und nimmt es professionell auf. Ich nehme diesmal zur Sicherheit auch mein kleines TASCAM-Gerät mit. Da die Musiker diesmal Creme de la Creme, also absolute Coryphäen sind, muss ich mir diesmal wohl keine Sorge um die Klangtreue und Fehlerlosigkeit machen! Wobei meine Stücke es aber irgendwie immer faustdick hinter den Ohren haben... :-D Mal sehen!
Der Ablauf wird in allen vier Fällen der Folgende sein:
1.) Die Autorin liest ihren Text dem Publikum vor 2.) Der Komponist sagt ein paar Worte über die Idee, Arbeitsweise und Techniken, wie er die Aufgabe angefasst hat 3.) Es wird das Stück aufgeführt
Eintritt ist frei. Schade, dass wohl keine/r unter euch kommen wird können! Aber, wenn man es schon hier ankündigen darf, dachte ich, warum nicht? ;-)
10 Minuten habe ich, trotz Wahnsinns-Arbeitstempo (an zwei Tagen ging ich erst um 5h in der Früh ins Bett), nicht hinbekommen, nur 7:15. Prof. Ager ist aber sehr zufrieden, er sagte: "lieber 7 gute Minuten, als 9 schlechte". Da kann ich ihm nur beipflichten... :-)
Naja, die griechische Mythologie ist nun mal nicht sehr... keusch🤭🤣😇...
Halt uns trotzdem auf dem Laufenden, in den Urlaubsmonaten verschlägts vielleicht doch den einen oder die andere urlaubs- oder durchreisemäßig nach Salzburg....
Es gibt nichts in der Welt, das so wertvoll wäre, wie der Herzensfrieden. ~Franz v. Sales~
Griechisch? James Joyce's "Ulysses" beschreibt einen Tag im Leben eines Iren (!), der Bloom heißt, über 800 Seiten. Und zwar den 16. Juni, seinen Geburtstag. Und darum heißt dieser Tag Bloomsday.
Zitat von jenoe im Beitrag #1Liebe Forianer! ... Ich habe eine mp3-Aufnahme mit Computerstimmen (MIDI, eine Katastrophe, aber man kann etwas darunter vorstellen) sowie die Noten als PDF (PriMus). Bei Bedarf kann ich sie hochladen. ...
Das ist zwar etwas abgefahren, aber trotzdem lade mal hoch. Einen "Bedarf" gibt zwar nicht, aber schon eine gewisse Neugier.
Zitat von Polyphoniker im Beitrag #6Das ist zwar etwas abgefahren, aber trotzdem lade mal hoch.
Für solche Dinge haben wir eine forumsinterne Noten-Bibliothek exklusiv für Mitglieder, sodass auch nicht jeder Zaungast mitlesen bzw. mithören kann, außer jenoe will es allen zeigen, das ist dann seine Entscheidung.
Wow, Romanus, kannst du Gedanken lesen? Genau das ist mein Problem mit dem Hochladen, denn - auch, wenn ich für meine Komposition keinen Cent und auch keine Tandieme erhalte da das Konzert bei freiem Eintritt stattfindet - kann ich mir vorstellen, dass es dem Auftraggeber sauer aufstößt, wenn das Stück im Voraus (!), also vor der eigentlichen Uraufführung veröffentlicht wird.
Notfalls kann ich diese abwarten, dauert ja nur bis Donnerstag, dann hat man eventuell sogar eine Live-Aufnahme. . Warum eine MIDI-Einspielung "strange", oder "schräg" ist, verstehe ich nicht. Wie machen es andere?
Ehrlich, eine(r), der/die behauptet, dieses Stück einfach anhand der Noten perfekt zu hören, lügt zu 99%.
Im Laufe meiner Laufbahn inkl. 9 Jahre Konpositionsstudium ist mir EINE Person unterkommen, die das nachweislich könnte, dafür damit nicht geprahlt hat.
Es war ein ehemaliger - leider mittlerweile verstorbener - Professor ungarischer Abstammung am Mozarteum. Als ich mein Diplommaterial einreichte, setzte er sich in die Bibliothek und "las" meine Stücke.
Einiger Zeit später kam ein Kommilitone und richtete mir aus, Prof. Horváth will mich in der Bibliothek sehen.
Er hatte meine 4-stimmigen Fugen am Tisch und machte mich auf Notationsfehler aufmerksam. Ich will nichts sagen, aber kein Mensch sonst kann in einer Bibliothek sitzend, ohne Instrument diese Fugen einfach lesen und hören... Er schon!
Ich sah mir die Stellen an und war höchst erstaunt - denn es stimmte alles, was er sagte! (Es waren ausschließlich Vorzeichenfehler)
Ich fragte erataunt: "woher wissen sie es?" Worauf er erbost: "ich kann doch lesen!"
Respekt.
Also mache ich leider auch so, wie fast alle anderen, denen es nicht egal ist, wie das Endprodukt klingt, dass ich, ab einer gewissen Komplexität, das Notensatzprogramm "vorspielen lasse". Das geht mal besser, mal schlechter. Dank einem halbwegs anständigen Soundfont aus alten Zeiten (der Hersteller sampelte Irina Brochins Stimme!) kann ich zumindest eine ungefähre Ahnung haben, wie das Ganze klingen KÖNNTE (und, zumindest was Intonation und rhythmische Präzision angeht, SOLLTE). Das sehe ich jetzt als Methode nicht unbedingt "schräg" an.
Spätestens am Donnerstag kommen dann Noten und Aufnahme bzw. MIDI (je nach dem, ob die Aufnahme was wird). Eventuell schon vorher, sollte ich mich doch überwinden können... 😉
Vergangener Sonntag vor einer Woche habe ich die erste Probe mit dem Ensemble gehabt. Leider stellte sich dabei heraus, dass neben drei kongenialen und gut vorbereiteten Instrumentalisten eine Sängerin dastand, die, gelinde gesagt, dem Stück nicht gewachsen war.
Es kam zu einem richtigen Streit, sie hat nicht eingesehen, dass sie die Töne nicht sauber getroffen hat - was heißt hier sauber, teils war zwischen gedachtem und gesungenem Ton ein Ganzton!! -, sie hat mich angeherrscht, dass es eine Frechheit ist, ich solle mich hinsetzen und Ruhe geben etc.
Die Musiker wurden dadurch auch sehr irritiert, aber sie haben ihre Stimmen sehr schön gespielt, musste fast nichts sagen. Ich habe aber doch immer wieder wa sgesagt, quasi als "Alibi", damit die Sängerin nicht den Eindruck hat, ich würde auf sie herumhacken. Da shat aber nichts geholfen, auch nicht, dass ich meine Kritik versucht habe, immer gut"eingepackt", positiv zu formulieren. Sie hat "die Verpackung" sofort entfernt, und mich herausgefordert, es auf eine Konfrontation ankommen lassen. ☹️
Nachmittag fuhr ich dann nach Ungarn und kam erst am Dienstagabend wieder. Bis dahin habe ich meinen lieben Aufnahmeleiiter organisieren können, der mit schwerem Gerät und 8 Mikrofonen antanzen wollte.
Aber - es hat sich herausgestellt, dass die Sängerin ihre Zustimmung zu eine rwie auch immer gearteten Aufnahme VERWEIGERT hat, und sogar damit gedroht, nicht aufzutreten, wenn jemand das Konzert aufnimmt.
Das ist besonders bitter, denn einer der Kollegen ist in Guatemala mit Covid in Quarantäne festgesessen, und hat somit die Uraufführung seines Stückes gar nicht erleben können / ☹️😫
Das nenne ich Egoismus.
Die Aufführung selbst war ein unerwarteter Erfolg. Fronleichnam ist in Österreich Feiertag, die Gläubigen befinden sich um 11:30 gegen Ende der Prozession, die anderen, bei herrlichem Sommerwettwr, sind auf Urlaub (langes Wochenende), oder baden. Ich habe mit 5-10 Leute gerechnet...
Nun waren es aber über 100!! 😮
Das Konzert hat aufgrund der langen Interviews und Gesprächen auf der Bühne fast 2 Stunden gedauert, bei etwa 45 Minuten netto gespielten Zeit.
Prof. Ager hat mir insgesamt 3-mal gratuliert, was mich total überrascht hat. Er komponiert ziemlich gegensätzlich zu mir.
Er merkte nur einen Kritikpunkt an: als mein ehemaliger Formenlehre-Professor hat er sich natürlich an der überholten Form "Rondo" gestoßen - "er hätte heute kein Rondo mehr geschrieben". Dafür hat er gemeint, von allen vier Komponisten wäre ich am innovativsten mit dem Text umgegangen. Und überhaupt, mir kam vor, als hätte ihm mein Stück am Besten gefallen! 🙏😀🙏
Was die Aufführung qualität meines Werkes angeht, leider ist sie weit hinter der Möglichkeiten geblieben. Grund wird sein, dass ich - da ich auch auf die Bühne musste - in der ersten Reihe saß, und den Eindruck bekam, dass selbst die Musiker Angst hatten.
Ich weiß nicht, es scheint, als ob andere Kollegen ihr Stück nicht so genau im Ohr hätten, ich jedenfalls kenne jeden Ton, und höre jede Abweichung. Das dürfte ihnen Angst eingejagt haben. Sie haben nicht gelöst, sondern ein wenig verkrampft gespielt, dementsprechend Fehler gemacht und auch in der Dynamikbreite sind sie kein Risiko eingegangen.
Trotzdem kam das Stück sehr gut an, ich habe schon von mehreren Seiten positive Rückmeldungen bekommen.
Nun kann ich nur die Computerversion als Audio anbieten ☹️ sowie die Noten als PDF.
Kirchenorgel-Forum
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10.06.2022 15:21
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