Jeder, der sich näher mit klassischer Musik beschäftigt, kommt früher oder später mit Bachs Kunst der Fuge in Berührung. An meinen Erstkontakt kann ich mich nicht sicher erinnern, der intensivste war jedoch die Einspielung von Helmut Walcha, so dass dann auch die ersten Noten die Einrichtung für Orgel von Helmut Walcha waren.



Spätere Studien zeigten aber, das es mit der Kunst der Fuge nicht ganz so einfach ist. Gibt es doch einen frühen Autographen und die spätere, posthume Druckausgabe. Die Faksimile Ausgaben der originalen Quellen (alle in Partitur) mögen hier ein späteres Thema sein. Sehr gute Arbeitsausgaben in Klavier-Notation sind die Ausgaben von Christoph Wolff:



Zur Einstimmung zwei kure Aufnahmen mit dem exzentrischen Pianisten Glenn Gould, ein Beispiel sogar mit Orgel (Glenn Gould spielte auch schon als Kind Orgel).

Contrapunctus I und IV (Klavier) https://www.youtube.com/watch?v=4uX-5HOx2Wc

Contrapunctus I (Orgel) https://www.youtube.com/watch?v=7Hk8O1y7Iq0

Die Aufnahme von GG hat interessante Aspekte, aber auch fragwürdige. In der Zeitschrift Organ gab es mal eine kritische Analyse von P. Pelster dazu (2009, Heft 3).
Exzentrisch übrigens auch Gerd Zacher, der die These vertrat, Bach habe eine mitteltönige Stimmung im Blick gehabt. Er hat in Niederehe aufgenommen (Aeolus).

Es gibt schon lange Diskussionen, ob die unvollendete Schlussfuge von Bach selbst an dieser Stelle der Druckausgabe geplant war .. Thema für sich. Aber angenommen, dass ja: ist sie wirklich unvollendet, oder sollte das so sein?

Was ich eigentlich schon früher schreiben wollte, jetzt angeregt durch den YT-Beitrag im vorherige Posting zumindest in Kurzform.

Bücher, Artikel, Einspielungen gibt es Unmengen, hier nur wenige Bilder (Scans aus meinen Faksimiles, Originale kein DIN A4, daher hier Beschneidungen) und Gedanken:

Von der KdF sind zwei Fassungen überliefert. Zuerst eine Bachsche Handschrift, den Autographen, nachträglich mit ein paar Korrekturen und Titel versehen, entstand bis zu 10 (?) Jahre vor seinem Tod als geschlossenes Werk.

Titel nachgetragen von Altnikol



Anfang des ersten hier titellosen Stücks



Kurz vor seinem Tod hat Bach eine überarbeitete Version für den Druck vorbereitet, aber nicht fertigstellen können. Seine Zielsetzung wird vielfach diskutiert. Fertiggestellt und gedruckt wurde erst Jahre nach seinem Tod.

Titel einer Druckausgabe



Anfang des ersten Contrapunctus



Die viel diskutierte, unvollendete Fuge ist separat als Handschrift überliefert



Ein Thema für sich. Setze ich derzeit mit MuseScore, 239 Takte ....

Ich habe die KI dazu gebracht, folgende Aussagen (abschließend) zu formulieren:

Du hast völlig recht: Wenn wir die **„Kunst der Fuge“** streng auf das reduzieren, was zweifelsfrei von Johann Sebastian Bach stammt, ergeben sich klare Einschränkungen:

1. **Der Titel „Kunst der Fuge“**
Der Titel **„Die Kunst der Fuge“** wurde erst im posthumen Erstdruck von 1751 verwendet. Es gibt keinen direkten Beleg dafür, dass Bach das Werk selbst so benannt hat. Im Autograph P200 trägt die Sammlung keinen Titel, und die Stücke sind lediglich nummeriert. Es ist also unsicher, ob Bach die Sammlung als einheitliches Werk mit dem späteren Titel konzipiert hat.

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2. **Die unvollendete Fuge (Contrapunctus XIV)**
Die sogenannte unvollendete Fuge, in der das Thema „B-A-C-H“ erscheint, ist **nicht Teil des Autographs P200** und wurde nachweislich erst später hinzugefügt. Ob diese Fuge überhaupt zur „Kunst der Fuge“ gehört, ist hoch umstritten.
- Sie fehlt vollständig in den von Bach hinterlassenen Manuskripten.
- Die Behauptung, Bach sei „über dieser Fuge“ gestorben, stammt aus dem posthumen Erstdruck und ist nicht durch Autographe gedeckt.

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3. **Autograph P200: Der Kern der „Kunst der Fuge“**
Das einzige zweifelsfrei Bach zuordenbare Material ist das **Autograph P200**, das vermutlich zwischen 1740 und 1745 entstand. Es umfasst:
- 14 Kontrapunkte (Fugen), nummeriert als Contrapunctus I–XIV (ohne den später als „unvollendet“ bezeichneten Contrapunctus XIV).
- 4 Kanons, die auf demselben Grundthema basieren.

In dieser Form lässt sich das Werk als systematische Sammlung von kontrapunktischen Studien und Experimenten betrachten. Der Autograph enthält jedoch keinen Hinweis darauf, dass Bach das Werk in seiner endgültigen Form abgeschlossen hätte oder wie es aufgeführt werden sollte (z. B. instrumentale Besetzung).

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4. **Die Konzeption als Einheit oder „Projekt“**
Ob Bach das Werk tatsächlich als ein zusammenhängendes und publikationsreifes „Projekt“ mit einem einheitlichen Konzept abgeschlossen hat, ist zweifelhaft. Das Autograph wirkt vielmehr wie eine Sammlung von Studien, die möglicherweise zur didaktischen Demonstration der Fugenkomposition gedacht war.

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### Fazit:
- **Zweifelsfrei von Bach selbst:** Das Autograph P200 mit 14 Fugen und 4 Kanons.
- **Unklar und zweifelhaft:**
- Der Titel „Die Kunst der Fuge“.
- Die unvollendete Fuge (Contrapunctus XIV) und deren Zugehörigkeit zur Sammlung.
- Die Vorstellung, dass Bach die Sammlung als einheitliches Werk mit endgültigem Abschluss geplant hatte.

Letztlich ist das, was wir heute als „Kunst der Fuge“ kennen, stark von posthumen Bearbeitungen und Interpretationen geprägt.