Heute bin ich über eine bemerkenswerte Orgel gestolpert (keine Angst, nicht wörtlich, sondern wieder einmal durch ein YT-Video ), von der ich noch nie zuvor gehört hatte: Die Abteikirche von Saint-Savin in Lavedan (Frankreich) beherbergt eine original erhaltene Orgel aus dem Jahr 1557. Die einzige detaillierte Beschreibung, die ich auf die Schnelle finden konnte, ist leider nur französisch (und das war zugegebenermaßen nicht gerade mein Lieblingsfach): Geschichte und Disposition
Klangbeispiele gibt es einige bei YT, hier z.b. improvisiert Sietze de Vries eine Partita über "Une jeune fillette", eine Melodie, die in unseren Breiten besser als Adventlied "Mit Ernst, o Menschenkinder" bekannt ist: Partita improvisée sur "Une jeune fillette" Das Bild dieses Videos war es auch, was meine spontane Neugierde geweckt hat: Das Manual ist mit nur 38 Tönen für heutige Begriffe ungewohnt kurz, die Töne fis und gis in der untersten Oktav fehlen und die Traktur mit ihren Holzstäben und Metallhäkchen ist nicht verdeckt, sodass ich mich frage, ob diese Orgel nicht sehr anfällig für Staub und Spinnen ist. Nicht nur die Orgel selbst ist bemerkenswert: Das Video ist eine Live-Aufnahme von einem Konzert am 17.07.2017 (magisches Datum !) und wer auf einer Orgel mit derart eingeschränktem Tonumfang live und sattelfest und auch noch stilgerecht im Renaissance-Stil improvisieren kann, hat auf jeden Fall meinen vollen Respekt !|addpics|rtq-e-512e.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|
Tolle Orgel und echt schön gespielt. Den Stil der Variationen würde ich aber eher auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts datieren. Ein anderer hier sehr bekannter Text auf diese Pop-Melodie der Renaissance ist das ev. Wochenlied dieser Woche: EG 365 "Von Gott will ich nicht lassen"... (EG ist das evangelische Gesangbuch in Deutschland. Bis Nummer 535 deutschlandweit einheitlich, dann kommen die Regionalteile) Ob im 16. Jahrhundert Bambus-Pfeifen gebaut wurden, wage ich allerdings zu bezweifeln. Siehe im Video 10:45. Das ist sehr merkwürdig, weiß jemand mehr?
Diese Orgel hat "yeux articulés". Ich kann kein französisch. Kann mir da mal jemand weiterhelfen. mit "beweglichen Augen" kann ich jetzt nichts anfangen. An unseren Orgeln würde ich am ehesten noch den Rückspiegel als bewegliches Auge bezeichnen, aber das wäre ja wohl eher keiner Erwähnung würdig?
Hallo Könnte es sich eventuell um ein „Gelenk-Auge“ handeln, also ein Teil der beweglichen Traktur? In der Technik spricht man ja auch vom „Pleuel-Auge“ bei Kolbenmotoren und meint den Bereich, in dem sich die Kurbelwelle in der Pleuelstange bewegt, Möglicherweise ist ja bei dieser alten Orgel ein spezieller Mechanismus zum ersten Mal eingebaut worden...
Also französisch kann ich auch nicht... Aber ich würde mir das eher so herleiten,denn ich nehme mal an, auch im Französischen hat sich die Rechtschreibung mit den Jahren geändert: "yeux" könnte eine alte Form von "jeu" , dem Spiel, sein.
"articules" - naja, da fällt mir "artikulieren" ein.
Also irgendetwas, das zur Artikulation des Spiels dient....
Keine Ahnung, ob das in etwa hinkommt...
Es gibt nichts in der Welt, das so wertvoll wäre, wie der Herzensfrieden. ~Franz v. Sales~
Bezieht sich offenbar auf die drei Köpfe in der Emporenbrüstung: "masques grotesques à mâchoires et yeux articulés" = "Groteske Masken mit beweglichen Kiefern und Augen" Wann der Organist diesen Effekt verwendete, kann man echt rätseln. Vielleicht beim Spiel während der Elevation, wenn er den Zelebranten ärgern wollte 🤣! Wir haben in der neuen Rohlf-Orgel in Altensteig ein "Eisenbahn-Register" in Erinnerung an die alte lokale Schmalspurbahn, was erst rhythmisch zu pusten beginnt und dann pfeift. Das wird eigentlich auch nur bei Orgelführungen verwendet...
Ich hab nach einem Video gesucht, in dem die Kulleraugen in Aktion wären, aber vermutlich funktioniert dieser Mechanismus gar nicht mehr. Wer weiß. In dem Video zu dem der ober angeführte link führt, sieht man ungefähr ab 6 min. die Orgel von allen Seiten und bekommt eine sehr gute Vorstellung, wie diese im Raum steht.
Doch, der Mechanismus funktioniert. De Vries nutzt ihn auch in einem der YT-Videos, ich weiß nur nicht mehr in welchem. Die Kiefer der Figuren klappen mit einem lauten Knall zu. Eine nette Spielerei, vielleicht auch um während der Predigt eingeschlafene Christenmenschen zu wecken.