Hier ist ein Ausschnitt aus dem "längsten Orgelstück der Welt", das sage und schreibe 639 Jahre(!) dauern soll: Das längste Orgelstück der Welt Da müsste man erstmal einen langlebigen und noch dazu geduldigen Organisten finden, der das spielt. Ich denke, das auch noch zu üben, wäre wohl wirklich zu viel verlangt, sowohl vom Organisten als auch von den Zuhörern. Das Stück in voller Länge geht sich natürlich in keinem YT-Video dieser Welt aus und schon gar nicht in knapp 3 Minuten, vielleicht auch besser so. Gegen Ende des Videos hört man einen Ausschnitt aus einer schneller gespielten Version, die ich in diesem Fall bevorzuge, warum, dürft ihr erraten. Der Komponist ist kein geringerer als John Cage, der bereits mit seinem etwas kürzeren (und vor allem leiseren ! ) Werk "4′33″" im wahrsten Sinn des Wortes aufhorchen ließ.
Ihr könnt mich gern erzkonservativ nennen, aber solche Kreationen und Ähnliches sind die Gründe, warum ich mit einem Großteil der zeitgenössischen Orgelmusik wenig anzufangen weiß und diesen Beitrag auch ganz bewußt nicht in der Kategorie "Musikalisches" poste, denn dort gehört er meiner Meinung nach wirklich nicht hin.
Da muss ich als Barock-Spezialist mal eine Lanze für die neue Musik brechen. John Cage ging es darum, die Grenzen der Musik und des Musikbetriebs auszuloten und das hat er höchst kreativ gemacht. 4'33'' ist letzlich nur eine Provokation, die ja auch grandios funktioniert hat. Angeblich wollte der Komponist, dass das Publikum auf sich selbst zu hören lernt. Die ganzen Geräusche, die automatisch entstehen vom Rascheln der Kleider bis zum Atmen. Oder eben bis zum Tumult, wie es bei der UA passierte. Das mit den 639 Jahren ist dann aber weniger ein musikalisches, als ein gesellschaftliches Experiment. Ich habe es schon gehört (also natürlich nur einen kurzen Ausschnitt) und fand es sehr interessant, was es mit einem macht. Wenn da nur nicht der Touri-Rummel im Konzert wäre, die einfach nicht ihren Schnabel halten können. Selbst der Typ am Verkaufsstand direkt neben der Orgel hat lauthals gequatscht 😣. Also kam einfach keine Konzertatmosphäre auf...
Wohlgemerkt, ich lehne nicht jede Art von zeitgenössischer Musik ab:
Grimoaldo Macchia - Toccata en Koraal "Vom Himmel hoch" Diese Toccata im romantischen Stil ist ein wunderbares Postludium für Weihnachten, das ich zur Weihnachtszeit auch immer wieder gern in meiner Kirche spiele. Als ich es zum 1. Mal gehört habe, konnte ich fast nicht glauben, dass der Komponist 1972 geboren wurde.
Wolfgang Seifen - Improvisation: Präludium und Fuge im Barockstil Wer so etwas komponieren kann, ist zweifellos ein Künstler und wer es improvisieren kann, ist ein echtes Genie, von ihm könnte sogar der alte Bach noch was lernen, davor habe ich allergrößten Respekt !
Und zu guter Letzt ein etwas krasseres, weniger konservatives Beispiel: Enjott Schneider - Toccata (Filmszene aus "Schlafes Bruder") Davon kann niemand mehr behaupten, dass es reiner Schönklang und nostalgisches Festhalten an alten Musikstilen wäre, es ist durchaus "modern", dissonant (mehr noch als Mozart´s Ave verum ) und auch nicht ohne Provokation, aber es ist immer noch Musik, es beweist echtes Können und Kunst hat für mich immer noch etwas mit Können zu tun.
Provozieren und Grenzen ausloten ist eine Sache, aber ich erkenne leider beim besten Willen keine Kreativität darin, ein paar Töne minuten- bis jahrhundertelang liegen zu lassen oder 4 1/2 Minuten lang einfach nichts zu spielen, sorry, aber auf mich wirkt sowas eher einfallslos. Wenn ich einem Hamster Valium injiziere und ihn auf die Tasten setze oder selbst Valium nehme, habe ich ein gleichwertiges Ergebnis. Meditieren kann ich auch so, dafür brauche ich keinen John Cage. Aber ist das dann auch schon Kunst ?
Ich bin ein durchaus humorvoller Mensch. Wenn man "4′33″" nur als Scherz betrachtet, ist das absolut okay, ein kleiner Jux muss auch mal sein ! Aber wenn man das jetzt als "Kunst" verkauft, urheberrechtlich schützen lässt und auch noch "Noten" (die nur aus Satzbezeichnungen und Pausen bestehen) davon gedruckt und verkauft werden, dann muss man sich schon fragen: Wie absurd ist unsere Welt eigentlich ?