Gestern hatte ich die Ehre und das Vergnügen, anlässlich einer Hochzeit die neue, erst 2019 erbaute Drago Lukmann-Orgel der Pfarrkirche St. Josef in Baden-Leesdorf zu spielen. Ich erwartete von einer neuen Orgel in einer modernen Kirche einen eher kalten, "technischen" Klang. Der Spieltisch wirkt bei erster Betrachtung kühl und steril, doch beim Ausprobieren war ich so angenehm überrascht wie selten zuvor ! Die Klaviaturen spielen sich auch bei gekoppelten Werken äußerst angenehm, der Tastenwiderstand in den Manualen ist für meinen Geschmack gerade richtig, im Pedal vielleicht etwas zu leicht. Die Labialstimmen sind angenehm warm und rund intoniert und verschmelzen wunderbar miteinander. Für die Zungen hatte ich bei meinem zu spielenden Programm eher wenig Verwendung, nur beim Postludium habe ich zum gekoppelten Plenum das Fagott 16´ im Pedal hinzugezogen, dieses Register hat mich zugegebenermaßen nicht wirklich begeistert. Aber alles in allem ist dies eine für eine so unscheinbare Kirche wirklich hervorragende "Universalorgel", auf der man von Barock bis zur Moderne jede Art von Orgelmusik überzeugend spielen kann. Die 29 intelligent disponierten Register ergeben einen nahezu unerschöpflichen Klangreichtum. Neben den "normalen" Koppeln gibt es sogar Suboktav-Koppeln in HW und SW. Umso mehr wundert es mich, dass auf der Orgelseite der Pfarre explizit dazu aufgerufen wird, sich als Organist zu bewerben. Da frage ich mich langsam auch schon, ob wir Angehörige einer vom Aussterben bedrohten Spezies sind. Also ganz ehrlich, würde ich nicht so weit weg wohnen, würde ich diese geniale Orgel "meiner" Hradetzky-Orgel in der Atzgersdorfer Pfarrkirche sofort vorziehen und das will etwas heißen, denn letztere ist keineswegs ein schlechtes Instrument, ich behaupte sogar, sie ist die Schönste des 23. Wiener Bezirkes. Also falls jemand von euch in Baden wohnt und eine Organistenstelle an einer schönen Orgel sucht: Ganz heißer Tip, Top-Empfehlung !
Die Orgel muss in ihrer noch jungen Geschichte bereits um 2 Register erweitert worden sein, denn im Orgelfolder scheinen "nur" 27 Register auf.
Worauf man allerdings aufpassen sollte: Die Warnung des Hausorganisten Michael Capek, beim Ziehen der Register vorsichtig zu sein, weil bereits einmal ein allzu forsch zupackender Organistenkollege einen Registerzug herausgerissen hat, erwies sich als durchaus berechtigt. Nein, keine Angst, ich habe nichts kaputt gemacht, aber die Registerzüge aus Kunststoff sind wirklich äußerst zart besaitet, man kann sie mit nur einem Finger ziehen, das ist zwar praktisch beim schnellen Umregistrieren, wenn man nicht die Setzeranlage nutzt, doch ahnungslose, kräftige Organisten und Registranten könnten hier leicht großen Schaden anrichten.
Das Aussehen der Orgel wurde vom bekannten deutschen Orgeldesigner Lothar D. Zickermann entworfen und sieht für meinen Geschmack sehr gelungen aus. Er arbeitet mit einer eigenen Software zum Visualisieren seiner Ideen, so dass die Interessenten einen oder mehrere Entwürfe im Vorfeld bestaunen können.
Meines Wissens nach konnte sich beim Bau dieser Orgel Michael Capek mit seinen Vorstellungen gegenüber den Vorstellungen des Vikariatskantors durchsetzen, der hier eine wesentlich kleinere, vielleicht auch aufintonierte Pieringer-Orgel errichten wollte.