Gestern sorgte unser Pfarrer einmal mehr für Verwunderung: Der Liedplan meiner Pfarre für den Palmsonntag steht bereits seit vielen Jahren nahezu unverändert: Siehe Fasten- und Osterliedplan ! GL 289 "O Haupt voll Blut und Wunden" zur Gabenbereitung wurde bereits vor meiner Zeit als Organist in dieser Pfarre traditionell am Palmsonntag gesungen und niemand wäre jemals auf die Idee gekommen, das zu ändern. Als Danklied wurde seit genauso vielen Jahren jeweils die 6.-8. Strophe von GL 289, "Ich danke dir von Herzen" gesungen.
Gestern hatte ich die spontane Idee, musikalisch etwas mehr Abwechslung hineinzubringen und schlug vor, anstatt der 6.-8. Strophe von GL 289 als Danklied GL 823(Österreich-Teil) "Heilges Kreuz, sei hochverehret" zu singen, zumal ich sonst kaum Gelegenheit habe, dieses schöne Lied zu spielen.
Damit hatte ich wohl "schlafende Hunde geweckt", denn sofort entsetzte sich der Pfarrer: "Was, "O Haupt voll Blut und Wunden" am Palmsonntag ???"
Ich: "Ja sicher, das war doch schon immer so seit vielen Jahren und Sie haben es noch nie beanstandet. Und damit wir nicht zum Danklied wieder die gleiche Melodie haben, hätte ich anstatt der 6.-8. Strophe lieber "Heilges Kreuz, sei hochverehret" gespielt."
Pfarrer: "Palmsonntag, das ist doch ein Jubeltag ! Da passt keines dieser beiden Lieder."
Ich: "Ein Jubeltag ? Aber zum Antwortpsalm singen wir doch "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ?" und danach wird die Passion gelesen, Jesus stirbt heute !"
Pfarrer: "Nein, Jesus stirbt erst am Karfreitag und die Passion ist doch nur zur Einstimmung auf die Karwoche. Spielen Sie doch als Danklied GL 867 "Ich sing´dir mein Lied !" (Des Pfarrers absolutes Lieblingslied !) 🤦♂️
Ich: "Das hab´ ich jetzt nicht geübt. Sie haben den Liedplan bereits vor dem Aschermittwoch bekommen und hätten damals auch noch Änderungswünsche bekanntgeben können, aber bitte nicht 5 Minuten vor Messbeginn ! Ich muss jetzt hinauf zur Orgel und weiß noch nicht, was ich spielen werde."
Mit viel Ärger im Bauch nahm ich den elektronischen Liedanzeiger und schwang mich auf die Empore. Während der Passionslesung hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, was ich danach am besten spiele. 🤔 Schließlich spielte ich nach reiflicher Überlegung zur Gabenbereitung GL 185 "Du hast, o Herr, dein Leben" und als Danklied GL 456 "Herr, du bist mein Leben" und schaffte so einigermaßen den Spagat zwischen Palmsonntags-Tradition und den eigenwilligen und spontanen Liedplan-Änderungswünschen des Pfarrers, denn dieser zeigte sich im Nachhinein mit meiner Auswahl zufrieden.
Das ist nicht das 1. und garantiert auch nicht das letzte Mal, dass unser Pfarrer mit seinen spontanen Liedplan-Änderungswünschen für Überraschung sorgt, diese Pfarre wäre wohl nichts für OrganistInnen, die gern alles minutiös planen.
Ja, solche Stahlnerven braucht man als Organist in dieser Pfarre auch ! Eines habe ich jedenfalls daraus gelernt: Nie wieder kurz vor Messbeginn ein Wort zum Liedplan sagen, solange der Pfarrer nicht selbst damit anfängt ! Hätte ich einfach nichts dazu gesagt, wäre alles so geblieben wie bisher.
Da seid ihr aber in einer glücklichen Position. In meiner zu spielenden Pfarre bekommt man die Lieder erst kurz vor Messbeginn mitgeteilt. Vorbereitet und geübt sind nur Kommunion und der Auszug.
Wir werden am Karfreitag "Heilges Kreuz sei hochverehret" als Quartett singen. Bin sehr gespannt, wie es klappt. Ich kenne es aus meiner Heimatpfarrei, bei uns ist es nicht im Gotteslob. Ich singe das sehr gerne und so hab ich die Gelegenheit genutzt, dass durch Corona das Volk ja immer noch weniger singen soll.
Fluch und Segen des elektronischen Liedanzeigers😜😇, ich muss alles aufgesteckt haben, bevor ich rauf gehe...
Ich hatte ja die Registrierungen während der Fastenzeit diesmal ganz arg zurückgenommen, so war der Unterschied zu Singt dem König Freudenpsalmen ganz stark- und der Verlauf bis zur Passion und weiter zum Schluss eigentlich ein breites, stimmungsmäßig absteigenden Spektrum. Ist mir dieses Jahr ganz gut gelungen, glaube ich.
Es gibt nichts in der Welt, das so wertvoll wäre, wie der Herzensfrieden. ~Franz v. Sales~
Der Palmsonntag ist ambivalent. Einmal der Einzug Jesu in Jerusalem, dann die Passionsgeschichte. Da kann man natürlich musikalisch was draus machen. Zum Beginn ein entsprechendes Vorspiel, kräfig registriert, eine Fanfare oder so was ähnliches. Wer es improvisatorisch drauf hat, kann in dieser Fanfare dann die Melodie von "O Haupt voll Blut und Wunden" einflechten, die Orgel dabei peu a peu abregistrieren und im piano enden. Damit hat man das Ganze schon einmal musikalisch umrissen. Die Gemeinde wird da mitgehen, das habe ich oft erlebt. Dann passen im weiteren Verlauf natürlich auch die typischen Passionslieder. Man kann ja mit "Zion singe Jubelpsalmen" oder zur Not auch mit "Macht hoch die Tür" anfangen. Und nochwas: Natürlich ist es immer etwas mühsam, aber jedem regelmäßig spielenden und geübtem Organisten sollte es möglich sein, auch ad hoc auf Liedänderungen einzugehen, wenn es sich um bekannte Melodien aus dem Gesangbuch handelt. Finde ich zumindest. Bei mir kommt sowas auch ständig vor, bis hin zur Änderung ganzer Abläufe 2 Minuten vor Beginn.
Vor allem beim Vater unser bin ich mir bei fremden Priestern, wenn vorher keine Zeit war, etwas abzusprechen, nie sicher und habs aufgeschlagen liegen.
Und einmal kam nach dem Segen: jetzt singen wir noch.... Könnten wir Orgel dazu haben? Und singt schon los. Viel zu tief für die Leute und sowieso. War ein mageres, tiefes, Gebrummel. Bei der 2.Strophe gabs dann eine radikale Tonhöhenänderung mit dem Einsatz der Orgel 😜. Ja, ich musste doch erst den richtigen Band der Orgelbücher holen🤣
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11.04.2022 21:55
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