Zitat von hintersatz im Beitrag #5Ein Orgelsatz hat Qualität, wenn er seinen Zweck erfüllt und der damit Begleitete (Gemeinde, Vorsänger, Kantor, Schola, Pfarrer oder du selber) gut dazu singen kann. Ob das mit Selbstgestricktem, Gesangbuchsatz, Tonica Fugata (Katastrophe...), Domorganisten-Orgelbuch, Evangelischem Orgelbuch, altem Goteslob, oder noch konservativer, dem Satz vom Frosch gelingt, egal. Hauptsache es wird kräftig gesungen. Wobei vielleicht etwas einfaches, selber gestricktes und dafür dann sicher gespieltes, und da bin ich ganz beim Vorredner, manchmal vielleicht besser ist. Ich schreibe keine eigenen Sätze und improvisiere auch keine, wenn nicht grade das Buch oder das Tablet vom Pult fliegt. Gut finde ich, wenn die singende Gemeinde bei mehreren Strophen weiß, was kommt, das klingt vielleicht etwas langweiliger, gibt dem Gesang aber Sicherheit.
Wird denn noch irgendwo kräftig gesungen? Ohne jede Frage, man muss danach singen können, da sind wir uns einig, aber ein solcher Satz sollte doch ein wenig mehr zu bieten haben. Elegante Stimmführung, klangliche Balance, gute Spielbarkeit für Nebenamtler usw. Ich finde es allerdings katastrophal, wenn ich bei 4 Strophen denselben Satz, möglicherweise mit demselben harmonischen Gag höre. Und bei den zahlreichen Möglichkeiten (obligat geführter c.f., c.f. in einer anderen Stimme als Sopran, andere Harmonisierung bis zur gezielten harmonischen Verfremdung, zusätzliche Oberstimme/Descant) wäre es doch schade, das alles zu verschenken.
Zitat von Axel im Beitrag #11 Wird denn noch irgendwo kräftig gesungen?
Das gibt es noch vereinzelt, muss man halt finden. Und wenn man dann noch eine kleine Dorforgel von Vleugels oben auf der Empore hat, ist alles gut. Was du da beschreibst, sind Kunststücke, die man Hochschulmäuschen beibringt. In der Realität nicht unbedingt von Nöten.
Zitat von Axel im Beitrag #11Ich finde es allerdings katastrophal, wenn ich bei 4 Strophen denselben Satz, möglicherweise mit demselben harmonischen Gag höre. Und bei den zahlreichen Möglichkeiten (obligat geführter c.f., c.f. in einer anderen Stimme als Sopran, andere Harmonisierung bis zur gezielten harmonischen Verfremdung, zusätzliche Oberstimme/Descant) wäre es doch schade, das alles zu verschenken.
Na wenn das schon katastrophal ist ... Die von dir aufgezählten Techniken zur Variation eines Satzes sind ja gut und schön, wenn man das drauf hat, aber ist das für einen Standard-Organisten nicht doch etwas viel verlangt ? Was soll denn ein armer, junger Nachwuchs-Organist machen, der im Moment nur den Satz im GL-Orgel-Ringbuch (wobei uns wir wohl einig sind, das diese Sätze nicht gerade die Raffiniertesten sind) zur Verfügung hat und froh ist, wenn er eine Messe ohne falsche Töne hinkriegt ?
Ich bemühe mich ja auch, nicht alle Strophen völlig gleich zu spielen, deshalb habe ich es mir bereits zu Beginn meiner Organistentätigkeit in meiner Heimatpfarre vor nicht ganz 20 Jahren zur Gewohnheit gemacht, vor jeder neuen Strophe die Registrierung zu ändern. Irgendwann habe ich auch angefangen, bei vielen Sätzen die Harmonisation von Strophe zu Strophe zu variieren und manchmal, wenn ich dazu genug Zeit und Lust habe, lege ich mir sogar 2 oder 3 verschiedene Sätze zurecht oder schreibe selbst welche (Das kann durchaus Spaß machen ! ).
Es kommt immer darauf an, wie zufrieden oder unzufrieden ich mit dem jeweiligen GL-Satz gerade bin:
Ist der GL-Satz für meinen Geschmack furchtbar, dann spiele ich sowieso nur einen oder mehrere mitgebrachte Sätze.
Ist er so einigermaßen brauchbar, spiele ich die 1. Strophe streng nach GL, variiere die 2. leicht und die 3. etwas mehr, wobei ich festgestellt habe, dass oft schon ein paar Vorzeichen-Änderungen und Durchgangsnoten reichen, um den Harmonien ein neues Gesicht zu geben, meistens brauche ich dafür nicht mal extra Noten. Manchmal bietet sich dabei auch eine textbezogene Harmonisation an, z.b. in der 3. Strophe von GL 358 (Ich will dich lieben, meine Stärke) harmonisiere ich die Textzeile "es ist mir leid, ich bin betrübt" bewußt in Moll.
Ist der Satz aber wunderschön, wie z.b. der (aus dem Württembergischen Choralbuch übernommene) Satz zu "Komm, du Heiland aller Welt" (Melodie: Nun komm, der Heiden Heiland) im alten GL-Orgelbuch, dann muss ich gestehen, dass ich durchaus bei allen 3 Strophen (und mehr werden in meiner Pfarre sowieso nicht gesungen) denselben Satz - allerdings mit unterschiedlichen Registrierungen - spiele, aus dem einfachen Grund, weil ich mir keinen schöneren oder auch nur gleich schönen Satz dazu vorstellen kann.
Ich finde, langweilige Gottesdienste gibt es schon genug. Die Leute gehen da nicht mehr hin, wenn es ihnen nichts gibt. Auf die Predigt habe ich keinen Einfluss, aber eben auf die Musik.
Ein schönes Beispiel, wo eigentlich schon textlichen Gründen 2 verschiedene Sätze existieren müssten, ist 554/Wachet auf: in der letzten Zeile würde ich tunlichst einen Akkordwechsel an dieser Stelle vermeiden: "zu DER Hochzeit". Eher unschön die falsche Betonung. Der Satz im Orgelbuch von Frede macht prompt diesen Fehler. In der 2. und 3. Strophe liegen die Verhältnisse anders. Hier reden wir nur über Textbetonung, nicht Textausdeutung. Ich halte diese Vorgehensweise, ein Orgelbuch von ein paar hauptamtlichen Organisten ohne weitergehende tonsetzerische Qualifikation eines Bistums erstellen zu lassen, für eine suboptimale Lösung. Aber da sieht man den Stellenwert der Musik. Über irgendwelche Gebete hat man sich vermutlich mehr Gedanken gemacht.
Und auch bei der Ausdeutung: Spannend wird es doch, wenn es eine Predigt in Tönen wird und an der Verkündigung teil hat. Und das war doch die Frage: Wann ist es gut? Wenn man das liturgische Orgelspiel darauf reduziert, dass man danach singen können muss, ist es, naja, sagen wir ausreichend.
Ein Unterschied in der Einschätzung könnte sein, dass es in D doch noch ein paar Stellen für "Hochschulmäuschen" gibt und die Idee dann natürlich eine etwas andere ist. Den Orgelschüler in seiner ersten Messe mal außen vor...klar, das haben wir alle so gemacht. Ich halte vieles, was in den C-Kursen gemacht wird für sinnlos. Was muss denn laufen? Genau: Orgel und Chor. Wer erwartet Vorträge über deutschen Liturgiegesang? Wo zahlt es sich aus, wenn man im Graduale Triplex anhand der St. Galler und Metzer Neumen in stundenlanger Kleinarbeit feststellen kann, dass man damals in Metz einen Ton mehr gesungen hat? Diese Zeit würde man besser darauf verwenden, den Leuten Unabhängigkeit vom (schlechten) Orgelbuch beizubringen.