Angeregt durch die aktuellen Videos zu Physis + ein paar erste allgemeine Gedanken zur Präsentation von (elektronischen) Orgeln in Videos.
Bei Präsentationen von Pfeifenorgeln bzw. Orgelmusik finde ich z.B. Balint Karosi und Jonathan Scott beispielhaft, braucht man nicht viel dazu zu sagen. Es gibt natürlich auch viele andere gute Videos, allerdings auch - wie überall - einigen Schrott.
Bei elektronischen Orgeln wird die Sache schon bunter. Da sind in vielen die Hersteller, andererseits überwiegend Amateure unterwegs.
Hersteller-Videos sind meist technisch gute Werbe-/Image-Filme mit begrenzter Information. Einen differenzierten Eindruck vom Klang liefern sie selten, meist ein sattsam bekanntes Stück, vorzugsweide im Plenum. Entscheidend ist dabei, wie die Aufnahme erstellt wurde: rein Digital (falls möglich), direkt rein elektronisch (Line Out), interne Lautsprecher mit dominierendem künstlichen Nachhall, externe Lautsprecher in Raum mit eigener Akustik. Davon erfährt man in der Regel nichts. (Schon zu Zeiten von Dr. Böhm hatte man oft das Problem, dass die Orgeln zu Hause nicht ganz so klingen wollten wie auf Dr. Böhm Schallplatten. Jahre später erfuhr ich zufällig von Insidern, was da wie geschönt wurde).
Amateurvideos sind in der rein technischen Qualität sehr breit gestreut. Dabei sollte man zunächst genau überlegen, was man will:
- technische Aspekte / Klang einer/seiner Orgel - Komposition(en) - sich als Interpret / Improvisateur
präsentieren. Zu viel auf einmal wollen scheitert meistens.
Beschränken wir uns auf die mehr technische Aspekte. Bei Klangdemonstrationen will ich vorzugsweise ein Spiel in üblicher Umgebung, nichts rein virtuelles. Eine Live-Präsentation, wo man dem Organisten auf die Finger schauen kann, keine Diashow mit Sound. Mehrere Takes sind natürlich möglich. Angemessene technische Qualität, damit der Klang auch aussagefähig ist. Bei Vergleichen von z.B. Intonationen direkte AB-Vergleiche innerhalb eines Videos, bei Orgelvorstellungen auch eine "Tour of Stops" ...
Das kann viel Arbeit bedeuten und man weiß nie, ob es einem das Publikum dankt.
Ich habe auch schon mal an Videos gedacht, aber dann denke ich, wofür? Den einzigen Vorteil, den ich als Amateur bei Contrebombarde-Einspielungen hatte, war der Ehrgeiz, die Aufnahmen möglichst fehlerfrei hinzubekommen und mit schöner Registrierung und einem passenden Hauptwerk-Sampleset erklingen zu lassen.
Ich hatte, seit ich begonnen habe, Musik zu machen und das war bereits in meiner Volksschulzeit, das Bedürfnis, mein Spiel aufzuzeichnen und zu konservieren, um es "mit den Ohren eines Zuhörers" neutral und möglichst objektiv hören zu können, um meinen Entwicklungsstatus als (Amateur-)Musiker und den Klang des jeweiligen Instruments für spätere Zeiten zu dokumentieren, um mein Spiel interessierten Leuten im Bekanntenkreis zugänglich zu machen und wohl auch - ich gebe es offen zu - um mich an dem zu erfreuen, was ich schon konnte.
Am Anfang war die MC, sie war von den 70ern bis weit in die 90er hinein noch DAS Speichermedium für Amateuraufnahmen.
1999 leistete ich mir einen Philips CDR 760 (den ich übrigens immer noch habe, wenngleich er heute schon fast ein Museumsstück darstellt) und nahm damit meine ersten CDs auf, u.a. im Advent 2000 eine Weihnachts-CD mit meiner damaligen Johannus Sweelinck 20, aus der z.b. diese Aufnahme stammt:
2005 brach das YouTube-Zeitalter an, viele Amateurmusiker nutzten die Gelegenheit, ihre Aufnahmen zu veröffentlichen und auch ich konnte am 15.10.2011 nicht widerstehen, mein 1. Video auf YT zu veröffentlichen: Es ist ein Live-Mitschnitt aus einer Hochzeitsfeier, ich habe das (Klavier-)Stück NUR auf ausdrücklichen Wunsch der Braut, einer Russin, gespielt und es ist mir ein absolutes Rätsel, wieso gerade diese Aufnahme bis heute mein beliebtestes Video ist, denn ich finde es ehrlich gesagt weder musikalisch, noch klang- und aufnahmetechnisch und schon gar nicht optisch-ästhetisch besonders gelungen und ich geniere mich fast für meinen komischen Gesichtsausdruck, der wohl eine Mischung aus gesteigerter Konzentration und Lampenfieber widerspiegelt und mein sehr zögerlicher Einsatz - nachdem der Zelebrant bereits das Schlussgebet angesagt hatte (was im Video deutlich zu hören ist) - verleiht dem Video zusätzlich unfreiwillige Komik. Aber trotzdem brachte es kein anderes meiner Videos auf 65613 Views, 665 Likes und 42 positive Kommentare:
Nach diesem unerwartet positiven Echo veröffentlichte ich noch einige Ausschnitte aus CDs, bei denen ich mitgewirkt habe mit vergleichsweise eher bescheidenem Echo. (Bei Interesse siehe Hörbeispiele im verlinkten Beitrag.)
Im März 2015 nahm ein netter Herr aus meiner Pfarre eine kleine Video-Session mit mir an der Orgel auf, aus der u.a. diese Aufnahme stammt:
Vor knapp 2 Jahren habe ich schließlich begonnen, Aufnahmen meiner selbst-intonierten Gloria Concerto 234 zu veröffentlichen, die Ergebnisse sind den Stammlesern dieses Forums schon bekannt. Bisher habe ich alle Aufnahmen an dieser Orgel im sterilen Line-Out-Verfahren gemacht, was zwar zu lupenreinen Aufnahmen ohne Nebengeräusche führt, aber zwangsläufig eine gewisse Sterilität des Klanges mit sich bringt. Ich möchte mir demnächst auch einen Zoom-Recorder oder etwas Ähnliches zulegen und die Ergebnisse mit den Line Out-Aufnahmen vergleichen.
Es ist erstaunlich, wieviele Details einem plötzlich auffallen, wenn man sein eigenes Spiel selbstkritisch als Aufnahme anhört. Ich empfehle allen, die ihr Spiel weiterentwickeln und verbessern wollen ausdrücklich, Aufnahmen ihres Spiels zu machen und natürlich würde ich mich über mehr veröffentlichte Aufnahmen unserer Forianer freuen !
Wie weit es Sinn macht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wirklich viral gehen Orgel-Videos grundsätzlich eher selten.
Wo Videos schwerpunktmäßig aufgerufen werden, ist aber manchmal erstaunlich. Man könnte meinen, Videos aus D in D. Im Prinzip ja, aber erstaunlicherweise gibt es oft auch andere Schwerpunkte - es kommt natürlich auf Titel / Thema an. Da hatte ich schon viele Aufrufe auch aus NL, USA, Russland und auch aus "Bollywood" (Indien), zuletzt ein Schwerpunkt in Indonesien. Das verstehe, wer will. CH bei Schweizer Themen ok, A allgemein ganz schwach ...
Ein anderes Thema ist natürlich dass Urheberrecht. Bei 100% selbstgedrehten Videos erst mal kein Problem, wäre da nicht mitunter Musik. Da hatte ich vor über 10 Jahren ein Video von einer Ski-Showveranstaltung gemacht, mit Redner und DJ mit Musik. Das war 3 oder 4 Jahre online und keinerlei Problem, bis dann plötzlich der Ton einer Szene wegen Urheberrecht gesperrt wurde. Da hab ich eine neue Videofassung erstellt, wo diese eine Szene eine andere Untermalung bekam. Diese neue Fassung ist bis heute online.
Kürzlich wollte ich eine zusätzliche, technisch verbesserte Fassung machen. Da hab ich zunächst nur einen 3 Minuten Test gemacht (alter Originalton), und es hagelte schon beim Upload jede Menge Einsprüche unterschiedlicher Schwere. Letztlich bekam das fertige Video zwei Tonspuren: einmal mit Originalton und einen YT Ersatzton mit Material aus der freien YT Audio Bibliothek.
Die alten Dr. Böhm Orgel Classic Aufnahmen waren bei YT kein Problem. Anders war es beim Test mit Dr. Böhm und der leichten Muse mit Ady Zehnpfennig. Da wurde bei ersten Test schon wieder gemeckert (aber nicht gesperrt).