Heute möchte ich euch eine ganz besondere Orgel vorstellen: 1804 errichtete der k.u.k. Hoforgelbauer Ignaz Kober, ein Schüler Franz Xaver Christophs, des Erbauers der Sonntagberger Orgel, in der Heiligenkreuzer Stiftskirche die bis heute größte 2-manualige Orgel Österreichs, sie besitzt 52 Register und 2959 Pfeifen. Franz Schubert reiste am 04.06.1828 gemeinsam mit seinem Freund Franz Lachner nach Heiligenkreuz, um die bereits damals berühmte Kober-Orgel auszuprobieren. Beide hatten für diesen Anlass am Vorabend je ein 4-händiges Orgelstück komponiert - Schubert seine e-Moll-Fuge Op. posthum. 152 und Lachner die Introduktion und Fuge d-Moll Op. 65 - und spielten gemeinsam diese beiden Kompositionen auf der Kober-Orgel. 1889 hat auch Anton Bruckner auf dieser Orgel gespielt. Hans Haselböck bezeichnet diese Orgel in seinem 1972 erschienenen Buch "Barocker Orgelschatz in Niederösterreich" sehr treffend als "die letzte klassische und zugleich erste romantische Orgel in Niederösterreich."
Auffallend sind bereits auf den 1. Blick die lateinischen und italienischen Registernamen, wie z.b. "Regula primaria" für Prinzipal, "Pileata major" für Coppelflöte, "Avena" für Rohrflöte, "Cor notturnum" für Nachthorn, "Tibia sylvestris" für Waldflöte, "Buccina" für Posaune ...
Wie selbstverständlich besitzt diese Orgel auch gravitätische 32´-Register im Pedal: "Pileata maxima" Die Buccina 32´ dürfte allerdings eine spätere Zutat der Firma Allgäuer bei der Restaurierung von 1997 sein, denn sie scheint weder in Hans Haselböcks oben erwähntem Buch noch in Alois Forer´s Buch "Orgeln in Österreich"(1973/1983) auf. Erstmalig in der österreichischen Orgellandschaft baute Kober auch 2 schwebende Register im Hauptwerk: "Unda marina" und "Piffaro".
Die Orgel besitzt neben vielen 8´und 4´-füßigen Registern auch einen reichhaltigen Fundus an Mixturen, schon allein im Hauptwerk sind es nicht weniger als 4, es dürften früher sogar 5 gewesen sein, denn Bei Haselböck und Forer findet sich neben den unten angeführten auch noch eine "Miscella Cimpl 1´". Auffallend für die Entstehungszeit ist in der österreichischen Orgellandschaft auch der bereits voll ausgebaute Tonumfang in der Unteroktav der Manuale, lediglich das Pedal hatte ursprünglich nur 12 Töne mit kurzer Unteroktav.
Nachdem der ursprüngliche Platz der Orgel - die barocke Westempore - 1950 abgetragen wurde (um die romanische Architektur zu rekonstruieren und den Lichteinfall wiederherzustellen, der durch die große Orgel verdeckt war), wurde die Orgel im Presbyterium aufgestellt und mit einem neuen Untergehäuse versehen, um eine ähnliche Klangabstrahlung wie von der früheren Empore zu erzielen. Bei der Neuaufstellung wurde auch der Pedalumfang auf 30 Töne erweitert. Nachdem sich die Orgel seit den späten 80er-Jahren in einem kläglichen, fast unspielbaren Zustand befand, wurde sie 1994-97 von der Firma Allgäuer restauriert.
Ich hatte 2x Gelegenheit, diese Orgel (privat) auszuprobieren: 1. Im Dezember 1988, damals war ich sehr enttäuscht, denn das Hauptwerk war stillgelegt und nur Positiv und Pedal spielbar. 2. Am Pfingstsonntag 2009 in tadellosem, uneingeschränkt spielbarem Zustand.
In der Bildergalerie findet ihr ein Foto des Prospektes der Heiligenkreuzer Hauptorgel, der auch Teile des Gehäuses der Vorgänger-Orgel (Gebrüder Römer, 1721) enthält.
Ich habe mich sehr bemüht, ein einigermaßen repräesentatives Klangbeispiel der Orgel auf YT zu finden und wurde ziemlich enttäuscht ! Das folgende Video, das (nach ca. 40 Sekunden) ein sehr ernstes Präludium und (nach einer kurzen Rede) ein großes Postludium über "Segne du, Maria" enthält, war noch das herzeigbarste, das ich finden konnte. Ich habe ja die Orgel vor Ort gehört und kann nur sagen, dass dieses Video die Klangpracht der Orgel nur sehr unvollkommen wiedergibt, ich habe auch den Eindruck, dass sie hier leicht verstimmt klingt, aber hört selbst: Ausschnitte aus: Hochfest des hl. Benedikt 2010 in der Stiftskirche Heiligenkreuz Als repräsentative Aufnahme empfehle ich den Interessierten unter euch folgende CD von Albert Bolliger: Historische Orgeln in Österreich Vol. 2
Die Heiligenkreuzer Stiftskirche beherbergt außer der großen Kober-Orgel noch eine kleine, einmanualige Chororgel (1746) mit 11 Registern von Jan Vymola.
Von der mit 45 Registern nur unwesentlich kleineren, ebenfalls "nur" 2-manualigen Schwester der Heiligenkreuzer Hauptorgel, der 1804-06 erbauten Kober-Orgel in der Wiener Schottenkirche ist leider nur noch das Gehäuse erhalten, sie wurde 1959 durch einen Neubau (III,43) von Ferdinand Molzer ausgetauscht, der 1996 durch einen weiteren Neubau von der Firma Mathis (III,49) ausgetauscht wurde. An der großen Mathis-Orgel hatte ich übrigens im Frühling 2004 eine Unterrichtsstunde, denn mein damaliger (Kurzzeit-)Orgellehrer war der Organist der Schottenkirche. Ich halte die große Mathis-Orgel für eine der besten Orgeln Wiens, also auf jeden Fall eine "würdige Nachfolgerin".
Die Kober-Orgel von Heiligenkreuz ist somit absolut einzigartig. Kennt jemand von euch eine noch größere 2-manualige Pfeifenorgel ?
Zwei weitere interessante, allerdings viel kleinere Ignaz-Kober-Orgeln gibt es ebenfalls in Niederösterreich: - Schlosskirche Gloggnitz, um ca. 1800, also knapp vor der Aufhebung des Benediktinerklosters Gloggnitz im Zuge der bayrischen Säkularisation und der Aufhebung des Klosters Formbach am Inn - Weikersdorf am Steinfelde
Interessant, ich wusste gar nichts von den kleinen Kober-Orgeln! Die Disposition der Gloggnitzer Schlosskirchenorgel ist ungewöhnlich, nur Octav 8 + Cornet im Pedal. Ist das original ?
Schwer zu sagen, ob die Dispo der kleinen Kober-Orgel der Schlosskirche Gloggnitz (ehem. Benediktinerkloster Gloggnitz) original ist, jedenfalls dürfte man diese Dispo im Zuge der Restaurierung beibehalten und allenfalls als original empfunden haben.