Neben den Pfeifenorgeln mit integriertem Spielschrank finden sich ja auch solche mit einem frei stehenden Spieltisch, welcher vor der Orgel auf der Empore positioniert ist. Ich meine in diesem Fall ausschliesslich Orgeln mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Ich kenne sowohl Orgeln, bei denen der Organist am Spieltisch von der Empore herunter in die Kirche blicken kann als auch solche, an denen er in Richtung Orgel schaut.
Was sind die Gründe, weshalb man die Orgelspieltische in diesen beiden um 180° verschiedenen Positionen gebaut hat? Was sind die Vor- und Nachteile dieser beiden Varianten? Welche Variante ist euch lieber?
Bei meiner rein mechanischen Dienstorgel in Wien-Atzgersdorf ist der Spieltisch direkt am Brüstungspositiv, also sitze ich immer mit Blickrichtung zum Altar, das ist akustisch günstig, denn ich sitze "im Zentrum", rechts schräg leicht hinter mir ist das Hauptgehäuse und links schräg leicht hinter mir das Pedalgehäuse und vor mir wie schon gesagt das Positiv. Trotzdem kann ich nicht über das Brüstungspositiv drüberschauen, sondern sehe den Altarraum nur auf einem kleinen Monitor links vom Spieltisch. Fotos siehe hier
Besten Dank für deine Antwort. Interpretiere ich das richtig, dass es für dich aus akustischer Sicht vorteilhafter ist, wenn du mit dem Rücken zum Hauptwerk der Orgel sitzt und sich das Brüstungspositiv vor dir befindet? Hast du mal jemanden zum Spielen an die Orgel gelassen und selbst den Blick zur Hauptorgel gerichtet? Wie klang das dann für dich?
Mich interessiert auch, ob es aus orgelbautechnischer Sicht Gründe gibt, die jeweils für oder gegen die beiden Varianten sprechen. Das bekannte Standardwerk von Hans Klotz "Das Buch von der Orgel" sagt (zumindest nach schnellem Überfliegen) zu dieser Frage nichts und das umfangreichere "Handbuch der Orgelkunde" von Winfried Ellerhorst (830 Seiten) schaue ich gerade durch...
Ich weiß nicht, ob es orgelbautechnische Gründe gibt für die eine oder andere Lösung. Freistehende Spieltische waren eine Erfindung des süddeutschen Orgelbaus im späten 18. Jahrhundert und befanden sich meist unweit des Hauptgehäuses mit Blickrichtung nach vorn. Wenn in dieser Zeit überhaupt noch Rückpositive gebaut wurden, verschwanden sie allmählich. Eine größere Rolle spielten und spielen auch heute noch zwei Gesichtpunkte: der auf einer Empore verfügbare Platz und die Berücksichtung eines Chores. Ich hatte das Glück, Anfang der 70er Jahre an der Orgelplanung für die Pfarrkirche meiner Heimatgemeinde mitwirken zu dürfen. Eine geräumige Empore war vorhanden und genügend Platz für den Chor musste berücksichtigt werden. Es war klar, dass ein direkt vor dem Rückpostiv mit Blickrichtung zum Hauptwerk der Orgel zu positionierender Spieltisch gebaut werden sollte. Der Chor konnte entweder seitlich des Hauptgehäuses (mit eigenem Dirigenten) oder um den Spieltisch herum (geleitet vom Organisten) aufgestellt werden. Akustisch für den Organisten ideal, da er die Hauptorgel im Abstand von ca. 3-4 m gut hört; das Rückpositiv auch, wenn die rückwärtigen Türen etwas geöffnet werden. Ein orgelbautechnischer Nachteil kann diese Lösung, muss sie aber nicht haben durch die im Vergleich mit einem direkt am Hauptgehäuse befindlichen Spieltisch verlängerten Trakturen. Man benötigt einen Spiegel oder Monitor zur Sicht auf den Altarraum; auch Vorsängerdienste sind dann von der Orgel aus ohne elektr. Verstärkung nur schwer möglich. Ich glaube, dass diese musikpraktischen Fragen je nach Situation vor Ort ein größeres Gewicht haben. Beste Grüße, Harmonist
Zitat von Harmonist im Beitrag #4Ich weiß nicht, ob es orgelbautechnische Gründe gibt für die eine oder andere Lösung. Freistehende Spieltische waren eine Erfindung des süddeutschen Orgelbaus im späten 18. Jahrhundert und befanden sich meist unweit des Hauptgehäuses mit Blickrichtung nach vorn. Wenn in dieser Zeit überhaupt noch Rückpositive gebaut wurden, verschwanden sie allmählich.
Hallo
Da sind natürlich so berühmte wie aussergewöhlich prachtvolle Orgeln wie die Instrumente in Weingarten oder Ochsenhausen zu nennen, die ich auch im Hinterkopf hatte, als ich das Thema eröffnete. Zu der Zeit von Joseph Gabler (1700 - 1771) waren ja die Fragen der Mechanik einer Orgel sehr ausschlaggbend für das Gelingen eines Orgelprojekts....
Zitat von Ebi im Beitrag #3Interpretiere ich das richtig, dass es für dich aus akustischer Sicht vorteilhafter ist, wenn du mit dem Rücken zum Hauptwerk der Orgel sitzt und sich das Brüstungspositiv vor dir befindet?
Ja, ich empfinde das als die günstigste Position, weil hier keines der 3 Teilwerke die anderen brutal übertönt und ich alle 3 gleich gut hören kann.
Zitat von Ebi im Beitrag #3Hast du mal jemanden zum Spielen an die Orgel gelassen und selbst den Blick zur Hauptorgel gerichtet? Wie klang das dann für dich?
Sorry, aber wenn ich mal wen an die Orgel gelassen habe, dann habe ich immer ihm bzw. ihr auf die Finger geschaut und nie daran gedacht, in Richtung Hauptwerk zu schauen, aber vielleicht beim nächsten Mal.
Ich mag es auch nicht, wenn mir beim Spielen zugesehen wird. Die Fehlerquote erhöht sich dabei erheblich. Deshalb bin ich auch Organistin auf einer Empore und keine Konzertpianistin auf die alle Augen gerichtet sind. Ich könnte schon in der Schule nie weiterarbeiten, wenn der Lehrer mir ins Blatt sah.