Verlagsnoten sind auch nicht immer das Gelbe vom Ei !
Heute habe ich in meiner Kirche zwischen ein paar Gesangbüchern ein Notenblatt zum Lied "Möge die Straße uns zusammenführen" gefunden. Es ist offensichtlich aus irgendeinem Gesangsbuch kopiert und trägt in diesem Buch die Nr. 117. Nicht nur, dass hier Musik UND Text Markus Pytlik zugeschrieben werden, der sich bei meiner heutigen Recherche als reiner Neu-Texter entpuppt hat, in Takt 10 findet sich ein wirklich grober, um nicht zu sagen "brutaler" Fehler:
Ich glaube, ich muss nicht näher erläutern, was hier falsch ist, oder ? |addpics|rtq-v-b8af.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|
Bei den NGLs wäre ich noch großzügig. Das wird ja oft in recht merkwürdigen Publikationen bei irgendwelchen Kirchentagen und zugehörigen Liedheften/-blättern verbreitet. Ob das immer für sich beanspruchen kann, eine Verlagsausgabe zu sein?
Übler sind solche Fehler bei renommierten und teuren Verlagen. Gerade haben wir auf FB in der Gruppe der AGO eine Stelle aus dem Orgelbüchlein (BWV 607) in der neuesten Bärenreitern Ausgabe diskutiert. Offensichtlicher Druckfehler. In meiner Peters Ausgabe der Sonaten von Carl Philipp fehlt in der F-Dur ein ganzer Takt. Da lassen sich viele Beispiele finden.
Hier ein Auszug aus Pachelbels Hexachordum Apollinis Originaldruck Faksimile. In den ersten vier Takten gibt es eine Stelle, die in modernen Ausgaben in der Regel korrigiert wird. Sieht oder hört man das, ist das zwingend, wenn man sich nur das Original vornimmt?
Ergänzend: Man kann schön sehen, wie Herausgeber das Problem auf unterschiedliche Weise lösen, auch schon bei den neueren Ausgaben auf imslp. Das ist auch ein Fall, wo ich als Spieler eigentlich nicht umhin komme, mir eine eigene Meinung zu bilden.
In Johann Kriegers C-Dur-Präludium hat sich in 2 Notenausgaben (von renommierten Verlagen !) offensichtlich derselbe grobe Fehler im selben Takt, nämlich Takt 4 eingeschlichen, der unschwer zu erkennen ist:
Abgesehen davon wurde in der Carus-Edition des C-Dur-Präludiums in Takt 15 das G der Basstimme aus mir ebenso unverständlichen Gründen nach oben oktaviert, was zwar nicht falsch klingt, aber im Vergleich mit vielen analogen Stellen dieses Stückes überhaupt keinen Sinn macht und übrigens auch mit der Originalausgabe von 1699 in keinster Weise übereinstimmt.
Für mich ein Beweis mehr, dass das Teurere nicht immer zwangsläufig das Bessere sein muss. 😎
Dieser Fehler findet sich nicht nur in den beiden von Dir genannten Ausgaben, sondern auch in Bd. I der BA-Ausgabe 8402 der "Sämtlichen Orgel-und Clavierwerke" von Johann und Johann Philipp Krieger auf Seite 72. Immerhin wird diese Ausgabe betreut von Siegbert Rampe und Helene Lerch.
Für mich sieht es so aus, als läge das Problem schon in der Originalausgabe. Das sieht nach einem Einzeltypennotensatz aus. Hier wurde das Gesamtbild aus einzelnen Noten zusammengesteckt, man sieht es an den nicht perfekten Notenlinien, wo die Typen aneinander stoßen. Das heißt auch, man kann nur setzen, was der Baukasten hergibt. Ich finde es erstaunlich, wie gut das recht komplexe Notenbild im Originaldruck ist. Der Verlag war gut. An manchen Stellen hat es aber auch Grenzen. An dieser Stelle konnte der mittleren Noten kein Hals gegeben werden, da die Hälse mittig ansetzen. In T. 11 oder 12 kann man das gut sehen, dass nur die obere oder untere Note einen Hals hat. Hier ist für den Spieler bei einer Ausführung manualiter eigentlich klar, dass man das e loslassen muss, sonst ist das kaum spielbar. Trotzdem wäre es sinnvoll, in einer modernen Ausgabe wie Gouin zu verfahren.
Gleiches Stück: T. 7 ergänzt Carus links ein fis, allerdings durch Kleinstich als Zutat gekennzeichnet. Bei Krieger steht das sehr eindeutig nicht. Ein Fehler? Wenn ich anfange so zu korrigieren, könnte man auch in T. 14 rechts erst cis'' und dann erst c'' spielen. Fragen über Fragen...
Und ja, man fragt sich oft bei modernen Ausgaben, was da passiert ist. Selbst wenn sie von (als Interpreten) renommierten Leuten gemacht wurden und als Urtext gekennzeichnet sind.
Ich habe im letzten Jahr mal ein Saxer zugeschriebenes Präludium in B aus Bärenreiter BA8426 im Konzert gespielt. Teurer Band (54 €). Trotzdem waren auf 4 Seiten 3 Stellen, die ich geändert habe, weil es ganz offensichtlich nicht stimmen konnte. Selbst wenn die Quelle das so hergibt, hätte man da etwas tun müssen als Herausgeber. Ich war zu faul, mir die Quelle zu besorgen und habe frei Schnauze korrigiert.