Diese Aufnahme stammt aus Franz Falter´s Polydor-LP "Orgelmusik im Wiener Stephansdom". Sie ist zwar nicht restlos "perfekt", bei den 1/16-Triolen der Toccata ist ein kleiner Fehler zu hören, aber es ist interessant, das ursprüngliche Klangbild mit dem aktuellen und natürlich die beiden verschiedenen Interpretationen zu vergleichen: Franz Falter ist in der Registrierung etwas "zurückhaltender, sparsamer", während Konstantin Reymaier das Stück eher "orchestral" anlegt. Natürlich hat sich mit dem Rieger-Umbau auch das Klangbild verändert, trotzdem erkenne ich auch in der aktuellen Domorgel noch etwas vom Kauffmann-Klang wieder, schließlich stammt die Hälfte der Pfeifen noch aus der Kauffmann-Orgel von 1960. Die Kauffmann-Orgel ist sozusagen nicht "gestorben", sie lebt weiter in der neuen Rieger-Orgel und das finde ich schön.
Ein Vergleich der gesamten Klanglichkeit kann anhand zweier verschieden registrierten Aufnahmen schwer erfolgen. Die größere Klarheit im Klang kann auch an der Registrierung liegen. Aber sowohl der Sound als auch die Interpretation ist bei Reymaier doch deutlich moderner als bei Falter. Und "modern" heißt hier letztlich "barocker". Toll ist bei Reymaier der improvisatorische Zugang zur Toccata, und das ist ja genau das, was Bach da eigentlich notieren wollte. Ein freies Tempo ist hier für mein Empfinden Pflicht und wirkt ganz anders, als die mehr abgezirkelten Passagen bei Falter. 1977 war die historische Musizierpraxis ja auch noch in den Kinderschuhen und bei den Organisten dauerte es nochmal länger, weil die Instrumente ja schon auf etliche Jahrzehnte Lebensdauer ausgelegt sind; und dabei auch viel teurer sind, als etwa ein Cembalo, das sich rascher in Richtung Originalinstrument zurück entwickeln konnte...
Für alle, die die faszinierende Doku "Eine Riesenorgel für den Stephansdom" noch nicht gesehen haben oder sie nochmal sehen wollen, ist sie jetzt auch auf YouTube verfügbar: Eine Riesenorgel für den Stephansdom
Manchmal frage ich mich, was der ehemalige Domorganist Peter Planyavsky wohl denkt, wenn er von der erneuerten (aber eigentlich zu 50% alten) Riesenorgel hört und liest. 🤔 Bekanntermaßen war er ja in seiner Zeit als Wiener Domorganist kein großer Fan der Kauffmann-Orgel, wie er in seinem Buch Gerettet vom Stephansdom - man beachte die (bewusst ?) zweideutige Rechtschreibung - eindeutig artikuliert.
Jetzt, wo die Mängel der Riesenorgel nachhaltig beseitigt wurden, wäre er wahrscheinlich froh, wenn er sie hätte.
Aber mal ehrlich: Wie findet ihr das Tempo ? Ich erinnere mich noch gut daran, das Stück im Herbst 2003 bei einem Klassenabend des Wiener Diözesankonservatoriums an der Rieger-Orgel der Kirche St. Anna in Wien-Baumgarten gespielt zu haben, die ich übrigens zu den schönsten Rieger-Orgeln zähle. Ich weiß noch gut, dass ich es auch eher langsam gespielt habe, aber nicht ganz so langsam wie Peter Frisée. Sein Tempo finde ich ehrlich gesagt vor allem in der 2. Hälfte des Stückes zu schleppend. Den Anfang finde ich gut, er wird nur leider im Lauf des Stückes langsamer, am Schluss passt das Tempo dann wieder einigermaßen. Oder kommt es nur mir so vor ?