Erster Schritt ist es einen Belegungsplan für die Register zu erstellen und dann einzelne Register auszuwählen. Man nimmt erst einmal halbwegs passende Register und macht die Auswahl komplett. Anschliessend sucht man aus den vorhandenen Möglichkeiten möglichst genau das Register aus, welches dem gewünschten Klang am ähnlichsten klingt. Danach korrigiert man Werte, um dem Original noch näher zu kommen. Leider stösst man dabei oft an Grenzen, denn je exotischer das nachzubildende Register ist, desto schwieriger ist es, seinen tasächlichen Klang einzufangen.

Man darf nicht der Illusion verfallen, eine Orgel auf diese Weise tatsächlich im Detail nachbauen zu können. Aber es ist schon viel getan, wenn man Look and Feel einer Orgel einfangen kann (und gegebenenfalls an die eigenen Vorlieben anpasst).

Abschliessend ist es natürlich wichtig, die Register nicht nur einzeln für sich zu intonieren, sondern ebenso in häifig verwendeten Kombination, um eine Verschmelzung hinzubekommen, also einen runden Gesamtklang. Wobei sich einzelne Register wie z.B. Kornett ein wenig abheben sollten. Bei den Zungen ist immer die Frage, wofür man sie in erster Linie verwenden möchte, ob als 'Farbgeber' oder eher solistisch. Beim Nachbau einer bestehenden Orgel ist das ja schon mehr oder weniger vorgegeben.

Meiner Meinung macht Physis auch nichts anderes als Samples zu benutzen. Nicht wie Hauptwerk ein Sample pro Taste, sondern ein einziges Sample für das ganze Register. Der Rest ist dann Berechnung. Mit den Parametern kann ich den vorgegebenen Klang modifizieren, aber nicht gestalten. Ein Beispiel.

Im Hauptwerk nehme ich ein Prinzipal 8' mit relativ enger Mensur, im Schwellwerk dafür eines mit einer viel weiteren Mensur ('Geigendprinzipal'). Bei der Pfeifenorgel orientiere ich mich jeweils an der absoluten Mensurbreite und berechne diese für jede weitere Pfeife. Bei Phsysis geht das anders. Da orientiert man sich nicht an den absoluten Werten (da man diese überhaupt nicht kennt), sondern an der Stimme, welche der gewünschten am ähnlichsten ist. Der tatsächliche Name der Stimme sagt nichts über deren absolute Mensurbreite aus. Hat man durch viel Ausprobieren und Probehören die ähnlichste gefunden, dann kann man sie noch nachträglich modifizieren. Der Charakterwert korrespondiert ein wenig mit der Mensurbreite, er variiert den Klang aber nur innerhalb einer gewissen Variationsbreite von etwas dumpfer bis etwas heller. Aber zum Glück gibt es auch noch die anderen Werte.

Finde ich keine ähnliche Stimme, dann habe ich bei Physis Pech gehabt. Zumindest mit Bordmitteln und da hilft dann auch der Editor nicht mehr weiter. Da muss ich mich bei Stimmen bedienen, die entweder für einen anderen Markt bestimmt sind und die als VCE-Datei verfügbar sind oder ich habe einfach Pech gehabt. Das Tool zum Erstellen eigener Stimmen rücken die nicht raus und eine Stimme aus einer bestehenen Intonation auszulesen ist leider auch nicht vorgesehen. Ärgerlich für Leute, die Interesse an einem relativ exotischen Register haben oder gern einige 8'-Stimmen als 4'-Register nutzen wollen. Auch im Bereich der kleinen Pfeifen und Mixuren klaffen leider erhebliche Lücken. So hätte ich gern eine Bärpfeife und ein Hörnlein 1/2' und noch einiges mehr.

Dabei ist dies wie bereits gesagt erst der Anfang. Einfach eine Einzelstimme so hinzubekommen, dass sie halbwegs so kling wie man es sich vorstellt. Ungeachtet der räumlichen Position, ungeachtet der Akkustik des Raumes und ungeachtet weiterer Faktoren.

Ich werde diesen Beitrag demnächst noch ein wenig vertiefen.

Zwei deiner Fragen kann ich ganz klar beantworten. Zuerst zum Editor.

Der Editor wird gebraucht, um Stimmen laden zu können und auch um Stimmern auf andere Manubrien verschieben zu können. Man kann die Parameter einer Stimme verändern, aber leider auch nur in dem gleichen Ausmass wie an der Orgel selber. Ich würde mir auch eine weitere Spanne wünschen und auch noch andere Parameter (wie das von dir genannte Attack Detune). Selber habe ich schon viel mit analogen Synthesizern zu tun gehabt und dort ist es selbstverständlich, möglichst viele Parameter zu haben und möglichst viele Veränderungen kontrollieren zu können. Also dirtekt zu deiner Frage. Nein, in dieser Hinsicht bringt auch der Editor nichts.

Die Frage mit derm Erstellen eigener VCE-Dateien lässt sich ebenso eindeutig beantworten. Sicher wird es ein solches Tool geben, denn Sonus, Viscount oder wer auch immer muss ja die bestehenden VCE-Dateien erstellt haben. Schliesslich sind sie nicht vom Himmel gefallen. Aber es ist Teil ihrer Firmenpolitik, diese Möglichkeit nicht an die Kunden weiterzugeben. Ich habe bei mir zum Beispiel eine britische Intonation und diese Intonation muss man kaufen. Nicht wegen der Intonation selber (die sind unter Physis frei), sondern wegen der benötigten Stimmen. Bisher ist mir noch nicht eine einzige Stimme untergekommen, die tatsächlich jemand selbst gemacht hat. Umbenennen kann man sie, aber nicht selber erstellen.

Stell dir einen mächtigen Editor vor, mit dem man viele Werte verändern kann und auch eigene Stimmen erstellen. So wird es bei Sonus wohl sein. Da sind dann alle Funktionen des Editors freigeschaltet. Die nächste Ebene ist dann die der grossen Händler. Da ist der Editor schon deutlich eingeschränkter. Stimmen erstellen werden nur die grossen nationalen Händler können. Oder wirklich nur Sonus selber und für alle Stimmen gibt es einen internen Pool. Am Ende der Nahrungskette ist dann der Kunde. Der kann mit dem Editor ein wenig herumschrauben, viel mehr kann er damit allerdings nicht. Warten wir Physis 2.0 ab. Vielleicht geht es damit ein wenig mehr Richtung 'Orgelbau'. Aber selbst wenn, zumindest am Anfang wird es fast unerschwinglich sein.

Ein weiterer Schwachpunkt von Physis sind das Routing und der interne Hall. Bei Kirchengemeinden ist das kein Problem. Je mehrkanaliger die externe Abstrahlung, desto besser und für den Hall ist der Raum selber zuständig. In einer grossen Kirche klingt es eben immer nach grosser Kirche.

Wenn eine Kirchengemeinde eine grosse Physis-Orgel erwirbt, dann hat sie sicher eine grössere Auswahl an Stimmen als der Durchschnittskunde. Aber selbermachen können auch die nichts. Wer unbedingt ein 64'-Register haben will, der wird es auch bekommen, wenn er dafür zahlt. Die Regel ist das allerdings nicht.

Noch ein Wort zu deinen Intonationen. Du hast eine bestimmte Vorstellung im Kopf und da ist es ganz natürlich, die Prinzipale ausgewogen zu haben. Bilden diese doch die Grundlage. Was aber bei Orgeln, die überhaupt keine Prinzipale haben? Was ich damit sagen möchte ist, dass diese Technologie selber sich eben nicht ausschliesslich auf den sakralen Bereich reduziert (auch wenn dies sicher mehr als 95% des Marktes ausmacht).

Ein deutlicher Schwachpunkt sind nach wie vor die Mixturen. Gerade da vermisst man schmerzlich die Möglichkeit, selber mehrere VCE-Stimmen zusammenführen zu können (oder eben andere). Bei den bestehenden Mixturen wir oft Würze mit Schärfe gleichgesetzt. Aber in der Praxis hätte man manches mal gerne mehr Würze bei weniger Schärfe.

Dein Bourdon-Beispiel gefällt mir und zeigt mir eine weitere Möglichkeit auf. Ich hätte gerne einen Boost-Schalter für jede einzelne Stimme, mit der ich zwischen zwei Lautstärken wählen kann. Ich hätte das Bourdun gern ein wenig lauter als Solostimme, in einem anderen Kontext aber dafür ein wenig leiser nur für das Klangfundament. Ähnlich geht es mir bei Zungen. Leiser, um den Klang eine Färbung zu geben und lauter als Solostimme. So hätte man deutlich mehr nutzbare Register bei gleicher Anzahl Registerplätze. Das würde bestehende Intonationen deutlich flexibler machen.

Zitat von nordorgler im Beitrag #3

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... Ich hätte das Bourdun gern ein wenig lauter als Solostimme, in einem anderen Kontext aber dafür ein wenig leiser nur für das Klangfundament. Ähnlich geht es mir bei Zungen. Leiser, um den Klang eine Färbung zu geben und lauter als Solostimme. So hätte man deutlich mehr nutzbare Register bei gleicher Anzahl Registerplätze. Das würde bestehende Intonationen deutlich flexibler machen.

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Zitat von Ebi im Beitrag #4

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... das hätte dann mit dem Vorbild, der Pfeifenorgel, jedoch nichts mehr zu tun: da gibt es das auch nicht....

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Der Editor ist schon sinnvoll, um Stimmen hochzuladen und um Schattenregister auf andere Manubrien legen zu können. Es wäre eine Überlegung wert, dass sich mehrere Physis-Besitzer einen Editor teilen. Man braucht sie für neue Intonationen ja nur einmal. Hat man Stimmen erst einmal hochgeladen, dann bleiben sie im Speicher und die erweiterten Schattenregister auch. Das heisst, im täglichen Betrieb braucht man den Editor dann nicht mehr.

Für mich selber ist der Editor leider unerlässlich, da ich viel intoniere und regen Gebrauch von ihm mache. Da musste ich leider in den sauren Apfel beissen.

Zu den VCE-Dateien. Die Frage ist eben, was man unter Exklusiv-Registern versteht. Die Stimmen sind von der ID her nach Ländern sortiert. Die allgemeinen Stimmen beginnen mit 0000. Es folgen die niederländischen ab 1000, die britischen ab 1500, die amerikanischen ab 2000, die französischen ab 2500, die europäischen ab 3000, die italienischen ab 3500 und die deutschen ab 4000.

Bei der Kisselbach-Intonation liegt der Schwerpunkt auf allgemeinen und deutschen Stimmen und da muss man sich meist mit den deutschen Standards begnügen. Aber es geht auch anders. Legt sich eine Kirchengemeinde zum Beispiel ein viermanualiges Instrument zu, das auch uneingeschränkt konzerttauglich sein soll, dann tauchen dort auch Stimmen auf, die in Instrumenten von der Stange nicht vorhanden sind. Aber auch diese Stimmen werden nicht exklusiv für diese Orgelinstallation gemacht, sondern man greift auf bereits bestehende Stimmen zurück. Das Angebot ist bei einem grossen Instrument mit vielen Registern natürlich auch grösser.

Aber auch wenn ich die Standard-Intonationen meiner Gloria 234 mit vergleichbaren Modellen aus anderen Märkten direkt vergleiche, dann sehe ich, dass dort andere Stimmen zum Einsatz kommen. Ich rede jetzt von dern Orgeln der britischen Verkaufsversion. Ich selber habe eine britische Zusatzintonation (nebst der dazugehörigen VCE-Dateien). Da ist auch eine exklusive Mixtur namens Mix15192226 mit der ID 1602 dabei (15-19-22-26), die ich noch nirgendwo anders gesehen habe. Sie ist also schon ziemlich exklusiv. Aber auch diese Mixur ist nicht von irgendjemandem zusammengestrickt worden. Sie ist ausschliesslich über den britischen Distributor erhältlich, von dem sie wohl auch stammt.

Was an Stimmen zu bekommen ist (egal aus welchen Quellen) stammt so weit ich weiss immer aus länderspezifischen Intonationen und es würde mich ehrlich gesagt wundern, wenn jemand die genaue Struktur der VCE-Dateien herausbekommen hat. Denn eine VCE-Datei ist ja keineswegs ein simpler Sample, sondern er hat einen Header mit Werten, von denen man nicht weiss, wofür diese gut sind und was sie bewirken.

Ganz im Gegensatz zum Inhalt einer STY-Datei. Die Intonationsparameter sind einzeln bekannt, die Struktur der Datei ebenso. Ich kann mir zum Beispiel anhand der ID den Namen der Stimme heraussuchen und nicht alle sind für mich tatsächlich verfügbar. Intonationen von der Unico 400 zum Beispiel beinhalten Stimmen, die gibt es nur bei der Unico 400. Läd man sie mit der Gloria, dann werden sie durch ähnliche Stimmen ersetzt. Das Problem beim Portieren auf die Gloria ist, dass man nicht weiss, welche Gloria-Stimme dem Original näher kommt, wenn man das Unico-Original nicht selber gehört hat.

Jedenfalls haben Leute wie Ahlborn die besseren Quellen und deswegen einige Stimmen auch als Datei. Aber selbstgemacht sind diese ganz sicher nicht.

Zitat von nordorgler im Beitrag #1

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Der Charakterwert korrespondiert ein wenig mit der Mensurbreite, er variiert den Klang aber nur innerhalb einer gewissen Variationsbreite von etwas dumpfer bis etwas heller. Aber zum Glück gibt es auch noch die anderen Werte.

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Zitat von Romanus im Beitrag #2

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Was sagen Besitzer des Editors ? Sind die von mir gewünschten Änderungen damit möglich ?

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Zitat von Romanus im Beitrag #2

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Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass eine Gruppe von Insidern (die nicht oder nicht alle Mitarbeiter von Viscount sind) im Besitz dieser Software wäre und bereits einige neue VCE-Dateien damit erstellt hätte.

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Zitat von Flauto im Beitrag #8

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Ob der Wert "Charakter" wirklich das Gegenstück zur Mensurbreite ist? Ob damit nicht z.T. eine Veränderung des Aufschnitts o.ä. dargestellt wird?

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